Lösungsvorschlag
Lösungsvorschlag
- Das Hagelrisiko in der Schweiz ist einerseits hoch, da die Gefahr (Hagelschlag) relativ häufig auftritt. Je nach Region muss jedes Jahr mit mehreren Hagelereignissen gerechnet werden (siehe Modul 2 – Hagelvorkommen in der Schweiz). Ausschlaggebend für die hohen Schadensummen ist jedoch auch die Wertekonzentration von Schutzgütern, welche in der Schweiz vergleichsweise hoch ist – so gibt es in der Schweiz beispielsweise viele teure Autos.
- Massnahmen, um das Risiko von Naturgefahren zu reduzieren, wirken sich auf unterschiedliche Komponenten des Risikos aus. Risiko = Gefahrenpotenzial (G) x Schadenpotenzial (S) x Verletzlichkeit (V). Die meisten Massnahmen reduzieren entweder das Schadenpotenzial (gefährdete Personen oder Objekte aus Gefahrenzone bringen) oder die Verletzlichkeit (Verwenden von hagelfesten Produkten).
- Weiterführende Informationen siehe unten
- Ein Rechenbeispiel findet sich in der «Weiterführenden Aufgabenstellung 1»
Tabelle 1: Massnahmen zur Hagelprävention. Legende: G = Gefahrenpotenzial, S = Schadenpotenzial, V = Verletzlichkeit
Hagelschäden |
Massnahmen |
Allgemein |
- Wetterprognosen verfolgen (S)
- Wetterwarnungen aktivieren (S), z. B. via MeteoSchweiz-App
- Normierung, z. B. Vorschriften zu Gebäudebauteilen (V)
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Personen im Freien |
Schutz in einem Gebäude oder einem Unterstand suchen (S) |
Fahrzeuge: Dellen in Karosserie, kaputte Scheiben |
- Fahrzeuge in der Garage oder in einem Unterstand parkieren (S)
- Hagelschutzdecken (V)
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Gebäude: Schäden an Storen, Dacheindeckung, Fassade, Lichtkuppeln etc. |
Sofortmassnahmen im Ereignisfall (Intervention):
- Storen, Markisen und Rollläden hochziehen (S)
- Türen, Tore und andere Gebäudeöffnungen schliessen (S)
Langfristige Massnahmen (Prävention):
- «Hagelschutz einfach automatisch» Warnsignal für automatische Storen-Steuerung (S)
- Bei Neubauten und Sanierungen an Dach, Fassade und Aufbauten (z. B. Solaranlagen) hagelfeste Materialien verwenden (V)
Hagelgeprüfte Produkte gibt es für alle Elemente der Gebäudehülle, z. B.
- Dacheindeckungen
- Aussenisolation, Verputz
- Lichtkuppeln
- PV-Module und thermische Solarkollektoren
- Bauteile aus Kunststoff wie Dichtungsbahnen
- Vorgelagerte Schutzvorrichtungen verwenden wie Schutzgitter oder Schutznetze, z. B. für ältere Lichtkuppeln aus Kunststoff (V)
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Gebäude: Indirekte (Wasser-) Schäden durch Hageleinfall, verstopfte Ablaufwege des Wassers |
Sofortmassnahmen im Ereignisfall (Intervention):
- Bei dichtem Hagelfall Wasserabflusswege beim Kellereingang, auf Balkonen und Terrassen beobachten und gegebenenfalls mit Hagelkörnern überdeckte Schächte und Abflussrinnen freischaufeln (V)
Langfristige Massnahmen (Prävention):
- Abfluss des Wassers über Dachrinne und Notüberläufe sicherstellen, verstopfte Abläufe von Schlamm und Laub befreien, periodisch Leitungen spülen lassen (V)
- Abdecken beschädigter Gebäudehüllen zum Schutz vor weiteren Schäden durch Wind und Wasser, s. dazu auch Anschauungsbeispiele aus Wolhusen (V)
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Garten: Beschädigte lose Gegenstände und Gartenmöbel, Pflanzen und Bäume |
- Lose Gegenstände sichern (gegen Wegfliegen durch Wind) (V)
- Gartenmöbel mit Schutzfolie abdecken (V)
- Topfpflanzen in hagelsicherem Unterstand unterbringen (S)
- Storen, Markisen und Rollläden hochziehen (S)
- Schwimmbadabdeckungen einziehen (oft aus Kunststoff), sofern die Personensicherheit (Kleinkinder!) gewährleistet ist (S).
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Landwirtschaft: Schäden an Kulturen und Ernteausfall, beschädigte Schutzeinrichtungen (Plastiktunnel, Bogenhallen, Witterungsschutzanlagen, etc.) |
- Hagelschutznetze (V)
- Verwendung von hagelgeprüften Materialien für Leichtbauten (Regendächer, Wandertunnel etc.) (V)
- Regelmässige Kontrolle und Wartung von Materialien und Leichtbauten (V)
- Mobile Objekte bei Hagelwarnung sicher lagern (S)
- Hagelabwehr mit Hagelraketen und -flieger (G)*
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* Ob Hagel durch Silberiodid-Impfung in der Wolke reduziert werden kann, ist eine umstrittene Frage. In der Schweiz gab es in den 1950er bis 1980er Jahren mehrere Grossversuche, um diese Frage zu beantworten. Bisher konnte jedoch kein Hagel-reduzierender Effekt der Impfung belegt werden.
Hintergründe zum Lösungsvorschlag
Hagelrisiko
Gefahrenpotenzial
Das Gefahrenpotenzial drückt die Gefahr aus, welche von einem Naturereignis ausgeht. Dies bedeutet, wie intensiv das Ereignis auf ein Objekt einwirkt (z. B. in der Form von kinetischer Energie) und mit welchen Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten mit dieser Gefahr zu rechnen ist. Für Hagel ist das Gefahrenpotenzial stark von der Korngrösse abhängig. Je grösser und schwerer ein Hagelkorn ist, umso schneller und mit höherer Energie prallt dieses auf den Boden (vgl. Tabelle 2). Weil dieser Zusammenhang nicht linear ist, nimmt der mögliche Schaden mit zunehmender Korngrösse stark zu (vgl. Video 2). Allerdings treten grosse Hagelkörner weniger häufig auf als kleine.
Im Rahmen des Projekts «Hagelklimatologie Schweiz» wurden 2021 neue Hagelgefährdungskarten erstellt, welche die Wahrscheinlichkeiten und zu erwartenden Korngrössen über die Schweiz darstellen (siehe auch Modul 2).
Tabelle 2: Masse, Endgeschwindigkeit und Aufprallenergie im Verhältnis zur Hagelkorngrösse. Siehe auch interaktive Formeln. Der nicht-lineare Zusammenhang zeigt sich exemplarisch: Die Grösse von 1.5 cm auf 3 cm nimmt um Faktor 2 zu, während die kinetische Energie rund um Faktor 10 zunimmt. Quelle: www.schutz-vor-naturgefahren.ch
Korngrösse (cm)
|
Masse (kg)
|
Endgeschwindigkeit v(m/s)
|
Endgeschwindigkeit (km/h)
|
Kinetische Energie (J)
|
1
|
0.0005
|
13.8
|
49.7
|
0.04
|
1.5
|
0.0015
|
16.9
|
60.8
|
0.22
|
2
|
0.0036
|
19.5
|
70.2
|
0.69
|
2.5
|
0.0071
|
21.8
|
78.5
|
1.69
|
3
|
0.0123
|
23.9
|
86
|
3.5
|
4
|
0.0292
|
27.5
|
99
|
11.1
|
5
|
0.0569
|
30.8
|
110.9
|
27
|
6
|
0.0984
|
33.7
|
121.3
|
56
|
7
|
0.1562
|
36.4
|
131
|
103.7
|
8
|
0.2332
|
39
|
140.4
|
176.9
|
Video 2: Hagelbeschuss auf Ziegel mit 2 unterschiedlichen Korngrössen (0:31 Minuten). Quelle: www.schutz-vor-naturgefahren.ch
Schadenpotenzial
Das Schadenpotenzial beschreibt die von der Naturgefahr gefährdeten Schutzgüter. Dies sind einerseits Personen und Tiere, welche sich in der Gefahrenzone aufhalten und andererseits Sachgüter wie Fahrzeuge, Gebäude, Hausrat oder landwirtschaftliche Kulturen. Wenn eine stark hagelgefährdete Region nur dünn besiedelt ist, so ist das Gesamtrisiko geringer, als wenn sie dicht besiedelt ist. Das Schadenpotenzial kann einfach minimiert werden, indem mobile Schutzgüter hagelfest untergebracht werden. Beispielsweise indem man ein Fahrzeug standardmässig in einer Einstellhalle anstelle auf einem Aussenparkplatz parkiert oder ein automatisches Hagelwarnsignal für Storen nutzt.
Das Schadenpotenzial kann nebst direkten Hagelschäden auch durch potenzielle indirekte Folgeschäden erhöht werden. Beispielsweise kann bei einem Hagelschaden am Dach anschliessend Niederschlag in ein Gebäude eintreten, wodurch es zu Wasserschäden innerhalb der Dachkonstruktion und in den Innenräumen kommen kann. Auch der Wasserabfluss auf Strassen kann durch Hagel stark beeinträchtigt werden und beispielsweise infolge verstopfter Durchlässe und Entwässerungen zu Überschwemmungen führen (vgl. Video 3).
Video 3: Einfluss von Hagel auf den Oberflächenabfluss (0:31 Minuten). Quelle: www.schutz-vor-naturgefahren.ch
Verletzlichkeit
Die Verletzlichkeit zeigt auf, wie stark ein Schutzgut durch die Naturgefahr beschädigt werden kann. Sie wird in der Regel mit einem Wert zwischen 0 (keine Schäden) und 1 (Totalschaden) ausgedrückt.
Wie schadenempfindlich ein Schutzgut ist, hängt primär von den verwendeten Materialien und deren Zustand ab. So können beispielsweise neue Kunststoffbauteile Hagelkorngrössen von 3 cm standhalten, während ältere Bauteile von der UV-Strahlung geschwächt und weniger hagelsicher sind (siehe Video 4).
Video 4: Hagelwiderstand von Bauteilen aus Kunststoff (0:34 Minuten). Quelle: www.schutz-vor-naturgefahren.ch
Gebäudeschutz-Expert*innen empfehlen für die gesamte Schweiz bei der Verwendung von Baumaterialen als minimales Schutzziel einen Hagelwiderstand HW3 (kein Schaden bei 3 cm grossen Hagelkörnern). In der Regel sind hagelgeprüfte Bauteile mit HW3 nicht wesentlich teurer als herkömmliche Produkte. In Regionen mit erhöhtem Risiko und für besonders wertvolle oder schwer reparierbare Bauteile ist ein höherer Hagelwiderstand (HW4 oder HW5) anzustreben, sofern am Markt entsprechende Produkte verfügbar sind. Das Hagelregister ist für Eigentümer*innen, Baufachleute und Architekt*innen sowie Ingenieur*innen und Spezialist*innen eine hilfreiche Informationsquelle, um hagelgeprüfte Produkte zu finden.
Weitere Videos zu Materialtests (Quelle: www.schutz-vor-naturgefahren.ch):
Siehe auch: