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Newsletter – December 2024

This is the latest newsletter from the Mobiliar Lab for Natural Risks at the University of Bern. It is published approximately twice a year and gives you an overview of our latest practice-relevant research results as well as information on events organised by the Lab. You can read the German version of the newsletter as PDF here.

Vous pouvez lire la version française de la newsletter en cliquant ici.

Ein neuer Kurzfilm beleuchtet, wie das Tool «Hochwasserdynamik» in einer Übung des Bevölkerungsschutzes angewendet wurde. Das Tool zeigt dynamisch die Auswirkungen von Extremregenszenarien. Ein solches Szenario wurde nun erstmals realitätsnah geübt.

Gemeinsam mit dem Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern (BSM) und der Stadt Burgdorf hat das Mobiliar Lab im Sommer 2024 eine eintägige Ausbildungsübung des Regionalen Führungsorgans (RFO) durchgeführt. Dank dem Tool «Hochwasserdynamik» konnte für das Kommando der Feuerwehr zudem erstmals ein realistisches Extremhochwasser inklusive vorangegangener einwöchiger Vorphase geübt werden. Während der Vorphase erhielt die Feuerwehr zweimal pro Tag eine Niederschlags- und Abflussprognose. Sie hatte den Auftrag, jeweils kurz nach Erhalt der Prognosen ihre darauf basierenden Entscheidungen mitzuteilen und den Moment zu bestimmen, an dem das Führungsorgan eingeschaltet werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Vorphase unterbrochen. Der weitere Verlauf des Ereignisses wurde anschliessend an der Übung des Führungsorgans simuliert.

Das Spezielle an dieser Übung war, dass durch das beschriebene Vorgehen ein bevorstehendes Ereignis, das noch gar keine Schäden verursacht hatte, geübt werden konnte. Gewöhnlich werden bei solchen Übungen schadensbegrenzende Szenarien geübt, in diesem Fall hingegen hatte das Führungsorgan präventive Massnahmen zu treffen. Dazu gehörten etwa Evakuierungen, Einsatz mobiler Hochwasserschutzmassnahmen oder vorausschauende Kommunikationsarbeit. Wie die Übung in Burgdorf zeigte, lassen sich drohende Schäden sehr effektiv und effizient reduzieren, wenn das Führungsorgan frühzeitig eingesetzt wird.

Einen Einblick in die Bevölkerungsschutzübung gibt dieser Kurzfilm.

Abb. 1: Der Kurzfilm zeigt auf, welche neuartige Ausbildungsübung der Einsatz des Tools Hochwasserdynamik ermöglicht.

Überschwemmte Strassenabschnitte können den Zugang zu Notfalldiensten erheblich erschweren. Eine neue Studie des Mobiliar Labs zeigt, wie Hochwasserereignisse die Erreichbarkeit von Notfalldiensten beeinträchtigen.

Das interaktive Webtool Hochwasserdynamik.ch zeigt, dass während Überschwemmungen viele Strassenabschnitte nicht befahrbar sind. Das kann weiträumigen Umwegverkehr erzeugen und hat zur Folge, dass Notfalleinrichtungen wie die Sanitätsdienste zeitweise nicht erreichbar sind. Ausserdem können die Einsatzfahrzeuge möglicherweise nicht die ganze Bevölkerung erreichen. Eine neue Studie des Mobiliar Labs hat modelliert, was geschieht, wenn Sanitätszentren im Kanton Bern während eines extremen Hochwasserszenarios nur noch eingeschränkt zugänglich sind.

Die Modellierungen haben einerseits gezeigt, dass der Zugang der Bevölkerung zu Notfalldiensten im Ereignisfall vielerorts unmöglich oder zumindest stark beschränkt ist. Das ist besonders bei Wegzeiten von maximal 15 Minuten der Fall, was insofern relevant ist, als diese Dauer oft als kritischer Wert für die Erreichbarkeit von Notfalldiensten gilt. Die Simulation hat auch ergeben, dass die Erreichbarkeit nicht überall gleichzeitig eingeschränkt ist. Umgekehrt haben die Modellierungen gezeigt, dass die von Notfalldiensten nicht erreichbaren Gebiete während eines Ereignisses variieren. Die Dauer der Einschränkungen reicht von ca. 9 Stunden bis zu 4 Tagen. In der folgenden Abbildung sind die Gebiete mit eingeschränkter Erreichbarkeit während Hochwasserereignissen in dunklem Rot aufgezeigt. Diese Methode eignet sich für die Erstellung oder Aktualisierung von Notfallplanungen.

Die Studie ist hier einsehbar.

Abb. 2: Reduktion der Erreichbarkeit («Vulnerability score») von Notfallzentren im Kanton Bern während eines extremen Hochwasserszenarios für vier verschiedene Fahrtzeiten. Eine Reduktion der Erreichbarkeit von 0.75 – 1.00 bedeutet, dass 75 – 100 % der Bevölkerung in diesen Gebieten nicht von Notärzten innerhalb der angegebenen Fahrzeit erreicht werden kann.

Künstliche Intelligenz könnte die Wettervorhersage revolutionieren. Solche Modelle lernen aus historischen Wetterdaten und bieten schnellere Vorhersagen. Überraschenderweise zeigt sich, dass zwei von drei KI-Modellen in der Gewitterprognose besser abschneiden als traditionelle numerische Modelle.

Mit künstlicher Intelligenz (KI) getriebene Wettervorhersagemodelle können Wettersituationen mit Gewitterpotenzial erstaunlich gut prognostizieren. Seit etwa anderthalb Jahren werden globale Wettervorhersagen nicht mehr nur mit numerischen Wettermodellen erstellt, sondern auch mit rein KI-basierten Ansätzen berechnet. Numerische Wettermodelle lösen physikalische Grundgleichungen wie den Erhalt von Impuls numerisch, KI-basierte Modelle hingegen lernen Zusammenhänge direkt aus Wetterdaten der Vergangenheit. Dabei steuert eine Zielfunktion, welche Aspekte des Wetters die Modelle speziell gut abbilden müssen, während sie aus den Daten lernen. Diese Zielfunktion stellt sicher, dass die KI-Modelle beispielsweise die Temperatur am Boden sehr gut vorhersagen können. KI-Modelle haben den Vorteil, dass sie Vorhersagen bedeutend schneller rechnen können als herkömmliche numerische Wettermodelle.

Die Vorhersage von Gewitterlagen stellt für die Wetterprognose eine Herausforderung dar, da nicht nur der Zustand am Boden gut vorhergesagt werden muss, sondern auch die vertikale Struktur von Temperatur und der Luftfeuchtigkeit möglichst genau vorausgesehen werden muss. Das Potenzial für Gewitter wird in einem Indikator namens CAPE zusammengefasst. Je grösser das CAPE, desto grösser ist das Gewitterpotenzial. Die Hypothese, wonach KI-basierte Vorhersagen des Gewitterpotenzials schlechter seien als die Vorhersagen von herkömmlichen numerischen Wettermodellen, mussten die Autorinnen und Autoren verwerfen. Abbildung 3 zeigt, dass zwei von drei KI-basierten Modellen besser abschneiden als das numerische Wettermodell.

Die Studie lässt sich hier einsehen.

Abb. 3: Zeitverlauf des Vorhersagegütemasses CAPE für Europa über Vorhersagezeiträume von einem Tag (24 Stunden) bis zu 10 Tagen (240 Stunden). Je grösser der Wert, desto schlechter ist die Vorhersage, da alle Vorhersagen mit längeren Vorhersagezeiträumen schlechter werden. Die schwarze Linie zeigt die Vorhersagegüte des numerischen Wettermodells. Die farbigen Linien zeigen die Vorhersagen von drei KI-basierten Modellen. Das rote und das blaue Modell sind für alle Vorhersagezeiträume im Mittel gleich gut oder sogar leicht besser als das numerische Wettermodell.

Ohne Klimaschutz nimmt in der Schweiz das gleichzeitige Auftreten von tiefen Abflüssen, trockenen Böden und Niederschlagsdefiziten, auch kombinierte Trockenheit genannt, zu. Wirksamer Klimaschutz würde die negativen Effekte auf die Wasserversorgung, Landwirtschaft und Ökosysteme abmildern.

Das gleichzeitige Auftreten von tiefen Abflüssen, trockenen Böden und Niederschlagsdefiziten wird als kombinierte Trockenheit bezeichnet. Die Analyse der Häufigkeit kombinierter Trockenheit in der Schweiz zeigt, dass unter dem Szenario ohne Klimaschutz die Anzahl der Tage mit kombinierter Trockenheit bis Ende des 21. Jahrhunderts zunimmt. Solche Episoden treten zwar häufiger auf, doch ihre Dauer verlängert sich nicht signifikant. Zudem steigt beim Szenario ohne Klimaschutz die Anzahl der betroffenen Einzugsgebiete. Im Szenario mit Klimaschutz hingegen ist die Zunahme der kombinierten Trockenheit nicht signifikant.

Darüber hinaus haben die Forschenden ermittelt, dass im Szenario ohne Klimaschutz auch die regionalen Ereignisse zunehmen, wodurch grössere Gebiete gleichzeitig betroffen sind. Die Saisonalität der kombinierten Trockenheit, die hauptsächlich von Mitte Juli bis Anfang Oktober auftritt, gleicht sich auf beiden Seiten der Alpen zunehmend an. Das bedeutet, dass häufiger Einzugsgebiete beidseits der Alpen gleichzeitig betroffen sein können.

Ein Szenario mit Klimaschutz wäre für die Schweiz im Hinblick auf kombinierte Trockenheit deutlich vorteilhafter, da es negative Auswirkungen abmildern würde. Eine geringere Häufigkeit und Dauer kombinierter Trockenheit würde demnach die Verfügbarkeit von Wasserressourcen erhöhen, Ernteausfälle minimieren, die Transportwege auf Wasserstrassen stabilisieren und die Biodiversität in betroffenen Ökosystemen fördern.

Dieses Merkblatt enthält die wichtigsten Informationen, die Studie ist hier einsehbar.

Abb. 4: Kombinierte Trockenheitstage je verlängerte Sommersaison für das Referenzklima sowie für das Szenario mit (RCP2.6) und ohne Klimaschutz (RCP8.5) aggregiert für die Grossregionen. Die Schraffur gibt an, ob Änderungen im Vergleich zum Referenzklima signifikant sind (horizontale Linien) und ob mindestens 90 % der Modellsimulationen mit den projizierten Änderungen übereinstimmen (vertikale Linien).

Ende Januar 2025 findet in Bern die RIMMA-Konferenz zu Frühwarnsystemen statt, organisiert vom Mobiliar Lab. Ende Juni 2025 folgt ebenfalls in Bern die D.A.CH-Konferenz zu Wetter und Klima. Die Anmeldefenster für die beiden Konferenzen sind nun offen.

Die internationale und interdisziplinäre Konferenz zu Frühwarnsystemen RIMMA2025 findet vom 28. – 31. Januar 2025 an der Universität Bern statt. Die viertägige Konferenz ermöglicht den Austausch von bewährten Praktiken und bietet Raum für Diskussionen. Das Programm ist jetzt online und umfasst unter anderem viele spannende Beiträge aus dem Risikomanagement in der Schweiz. Die Anmeldung ist noch bis am 8. Januar 2025 möglich.

Vom 23. bis 28. Juni 2025 findet die D.A.CH 2025 – Wetter und Klima im Fokus statt. Diese Konferenz wird dreijährlich unter der Schirmherrschaft der Meteorologischen Organisationen von Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Die Tagung will Personen aus Forschung, Industrie und Verwaltung zusammenbringen, die mit verschiedensten Aspekten von Wetter und Klima zu tun haben. Informationen über das Programm, den Veranstaltungsort und das Anmeldeverfahren finden sich hier. Anmeldungen und die Einreichung von Abstracts sind ab sofort möglich.

Abb. 5: Die RIMMA-Konferenz findet vom 28. – 31. Januar 2025 in Bern statt, die DACH vom 23. – 28. Juni 2025.

Newsletter – June 2024

Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

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Wenn in Schweizer Flüssen und Seen wegen der Klimaveränderung künftig mehr Wasser abfliesst als bei den bisher grössten Hochwassern, können die Schäden stark und sprunghaft ansteigen. Dies zeigen Berechnungen des Mobiliar Labs in einem neuen Tool.

Intuitiv scheint klar, dass sich die Klimaveränderung wegen der zunehmenden Starkniederschläge auch auf Hochwasser auswirkt. Doch wie genau, war bisher wissenschaftlich nicht geklärt. Erstmals kann nun das Mobiliar Lab zeigen, in welchem Ausmass sich Mehrabflüsse in den grossen Gewässern der Schweiz auf Hochwasserschäden auswirken und welche Gewässer an welchen Abschnitten besonders stark reagieren. Diese Aussagen sind dank einem am Lab entwickelten Tool möglich. Das Online-Werkzeug richtet sich an Fachleute in den Bereichen Naturgefahren und Bevölkerungsschutz sowie an Behörden.

Das Tool liefert Antworten auf Fragen wie: Wie verändern sich die Schäden in einem Gewässerabschnitt, wenn sich der Abfluss durch die Klimaveränderung erhöht? Wie viele Personen oder Arbeitsplätze sind betroffen, wenn der Seepegel ansteigt? Was passiert, wenn die bisher maximal gemessenen Abflüsse übertroffen werden?

Abb. 1, links: Übersicht aus dem neuen Tool «Risikosensitivität», die aufzeigt, welche Gewässerabschnitte im unteren (rot), mittleren (orange) und oberen (gelb) Hochwasserbereich besonders sensitiv auf Mehrabflüsse reagieren. Rechts: Risiko- und Sensitivitätsdiagramm eines Gewässerabschnitts.

Die wichtigsten Antworten aus dem Tool sind: Auch wenn die Hochwasser nur leicht über die bekannten Höchstwerte hinausgehen, steigen die Schäden sprunghaft an. Und eine durch die Klimaveränderung verursachte Zunahme der Spitzenabflüsse führt zu einer deutlich höheren Zunahme an Schäden. Ausgehend vom bisher grössten beobachteten Hochwasser steigen so etwa die Gebäudeschäden bei einem Mehrabfluss von 10 Prozent durchschnittlich um mehr als 40 Prozent. Bei 20 Prozent Mehrabfluss steigen die Schäden sprunghaft um 80 Prozent an.

Die zu erwartenden Schäden unterscheiden sich allerdings entlang eines Flusses und von Gewässer zu Gewässer stark. Nicht alle Abschnitte reagieren gleich empfindlich auf grössere Hochwasser. Entsprechend lassen sich im Hochwassermanagement auf dieser Grundlage basierende Prioritäten setzen, um die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal einzusetzen.

Abb. 2: Im Zentrum des Tools stehen die sogenannten Risikokurven (Graphen unten). Je nach Flussquerschnitt kann die Beziehung zwischen Abfluss und Auswirkung bzw. Exposition sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Aus den Risikokurven lassen sich Schwellenwerte identifizieren, die für den Ablauf von Hochwassern zentral sind.

Am Beispiel von Burgdorf hat das Mobiliar Lab herausgefunden, dass durch den Einsatz von mobilen Hochwasserschutzdämmen in der Emmestadt je nach Szenario rund 2000 Personen geschützt werden können. Die Definition der geeigneten Einsatzstandorte sowie eine angemessene Einsatztaktik sind zentral.

Zahlreichen Feuerwehren in der Schweiz stehen mobile Hochwasserschutzsysteme zur Verfügung. Die bestgeeigneten Einsatzorte sowie deren Schutzwirkung gegen Hochwasser sind nicht in jedem Fall offensichtlich. So auch in der Stadt Burgdorf, die bei extremen Hochwassern ein sehr grosses Schadenpotenzial aufweist und seit 2023 über mobile Schutzschläuche gegen Hochwasser der Emme verfügt.

Im Rahmen einer bestehenden Zusammenarbeit mit der Stadt Burgdorf hat das Mobiliar Lab in einem Pilotprojekt verschiedene potenzielle Standorte für mobile Schutzschläuche ausgewertet. Es hat dies mit Hilfe des für das Tool Hochwasserdynamik verwendeten hydrodynamischen 1D-/2D-Modells analysiert, um die schadenreduzierende Wirkung der Schutzschläuche für extreme Hochwasser der Emme abzuschätzen. Dabei wurden insbesondere die Auswirkungen auf betroffene Personen, die Anzahl Gebäude, Gebäudeschäden und Arbeitsplätze ausgewertet. Im Weiteren war die Betroffenheit der kritischen Infrastruktur Gegenstand der Untersuchungen.

Abb. 3: Simulationsergebnisse für ein extremes Abflussszenarios der Emme in Burgdorf (750 m3/s), links ohne und rechts mit Einsatz von mobilen Hochwasserschutzdämmen.

Die Analysen zeigen, dass der Einsatz von mobilen Schutzschläuchen an den bestgeeigneten Orten entlang der Emme das Schadenausmass in Burgdorf erheblich reduzieren kann: Je nach Szenario können bis rund 200 Gebäude geschützt werden, in denen etwa 1500 Personen wohnhaft und 2000 Arbeitsplätze untergebracht sind. Bei sehr extremen Ereignissen, die die Kapazität der Schutzdämme übersteigen, kann die Feuerwehr durch den Aufbau der Dämme immerhin den Zeitpunkt der Überschwemmung deutlich hinauszögern und dadurch wertvolle Zeit gewinnen, was beispielsweise für die Evakuierung von Personen von grosser Bedeutung sein kann.

Die Betrachtung der Wirkung von mobilen Hochwasserschutzdämmen muss um die Klärung der Grundvoraussetzungen für einen solchen Einsatz ergänzt werden. Diese beinhalten einerseits die durch das relevante Gewässer gegebene typische Vorwarnzeit und anderseits die nötige Dauer, das Dammsystem an den Einsatzort zu transportieren und aufzustellen. Schliesslich ist festzuhalten, dass die durchgeführten Simulationen Schwemmholz, Dammbrüche und weitere Faktoren nicht berücksichtigen. Diese können den Ablauf von Ereignissen massgeblich beeinflussen. Die Feuerwehr lässt die Erkenntnisse nun als wichtige Grundlage in die Übungs- und Einsatzplanung einfliessen.

Abb. 4: Die Risikokurven zeigen den Einfluss der mobilen Hochwasserschutzdämme auf das Schadenausmass für drei Szenarien: In Grün das Szenario ohne Massnahmen, in Rot das Szenario mit 400 m Schutzschlauch an zwei Stellen (s. Abb. 1), in Blau ein weiteres Szenario mit 800 m Schutzschlauch an insgesamt drei Stellen.

Die Online-Tools auf hochwasserrisiko.ch sind auch für den Bevölkerungsschutz von Nutzen. Deshalb wurde das Mobiliar Lab vom Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern (BSM) eingeladen, die Werkzeuge im Rahmen des Chef- und Stabchefrapport vorzustellen.

Das Mobiliar Lab wurde eingeladen, die Online-Tools aus dem Bereich Hochwasserrisiko, die sich besonders für die Arbeit in den Führungsorganen anbieten, dem Berner Bevölkerungsschutz vorzustellen. Dabei wurden das Überschwemmungsgedächtnis, die Hochwasserdynamik und das neueste Tool Risikosensitivität vorgestellt und Anwendungsmöglichkeiten für den Bevölkerungsschutz aufgezeigt. Die drei Nachmittage stiessen auf grosses Interesse. Die positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden und die konstruktiven Diskussionen haben den Praxisnutzen der Werkzeuge eindrücklich gezeigt.

Führungsorgane sind zivile Krisenstäbe der Exekutive, die im Fall eines ausserordentlichen Ereignisses, wie zum Beispiel eines grossen oder lang andauernden Hochwassers, die politischen Instanzen entlasten. Obwohl Führungsorgane auf Gemeindeebene organisiert sind, haben sich viele Gemeinden zu regionalen Führungsorganen (RFOs) zusammengeschlossen. Jährlich werden die Chefs und Stabchefs aller RFOs zum Rapport eingeladen und im Bereich Bevölkerungsschutz weitergebildet.

Abb. 5: Schulung der Tools von hochwasserrisiko.ch an einem der drei Chef- und Stabchefrapporte im Frühjahr 2024.

Dieser Nutzen für den Bevölkerungsschutz steht im Vordergrund:

  • Führungsstäbe und andere Organisationen, die sich mit der Bewältigung von Hochwasserereignissen auseinandersetzen, können das Überschwemmungsgedächtnis als zentrale Plattform ihrer Bilder zu Überschwemmungen nutzen, damit diese den Organisationen selbst sowie der Öffentlichkeit langfristig zur Verfügung stehen. 
  • Bisher wurden Übungen und Planungen in den Führungsstäben meist anhand von fiktiven Ereignissen durchgeführt. Mit dem Tool Hochwasserdynamik stellt das Mobiliar Lab plausible Hochwasser-Ereignisabläufe vom Niederschlag bis zu den Auswirkungen zur Verfügung, die auf wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen beruhen. Das Tool soll auch dazu beitragen, die Wichtigkeit vorausschauender Planung bewusst zu machen, inklusive einer eventuellen Eskalation der Lage, um als Führungsorgan handlungsfähig zu bleiben – auch wenn es etwa darum geht, knappe Ressourcen regional zuzuteilen.
  • Das neueste Online-Tool Risikosensitivität zeigt den Entscheidungsträgern im Bevölkerungsschutz auf, wie die Schäden zunehmen, wenn sich die Hochwasserabflüsse durch den Klimawandel erhöhen (vgl. ersten Beitrag dieser Ausgabe). Zudem können bereits unter den heutigen Bedingungen Abfluss-Schwellenwerte identifiziert werden, bei denen die Auswirkungen besonders stark ansteigen.

Das Mobiliar Lab hat dazu beigetragen, Daten zur Hydrologie und zu den Eigenschaften von Einzugsgebieten der Schweiz zu sammeln, zu harmonisieren sowie der Hydrologie-Community zum Download bereit zu stellen. Die aufbereiteten Daten erleichtern das Aufsetzen von hydrologischen Modellen in der Schweiz.

Martina Kauzlaric und Pascal Horton vom Mobiliar Lab haben zusammen mit Jan Schwanbeck vom Hydrologischen Atlas der Schweiz HADES sowie verschiedenen Forschungsgruppen einen wertvollen Datensatz für hydrologische Analysen und Modellierungen zusammengestellt. Der Datensatz CAMELS-CH umfasst hydrologische Daten zu 331 Einzugsgebieten in der Schweiz und im benachbarten Ausland.

CAMELS-CH fasst dreierlei Typen von Parametern zusammen: beobachtete dynamische hydrologische Messgrössen, wie tägliche Abflüsse und Pegel; beobachtete meteorologische Variablen, wie Niederschlag, Schnee, Temperatur, Strahlung, Wind und Evapotranspiration; sowie statische Einzugsgebiets-Attribute, wie Landbedeckung, Topographie, Bodeneigenschaften, Hydrogeologie, Klimatologie, Geologie, Gletscherbedeckung und menschliche Beeinflussung des Wasserkreislaufs. Dieser Schweizer Datensatz synthetisiert und ergänzt vergleichbare öffentlich zugängliche Datensätze und liefert aufbereitete Daten für hydrologische Analysen und Anwendungen.

Der Datensatz ist im Artikel Höge et al. (2023) beschrieben. Der Link zum Download der Daten ist ebenfalls dort zu finden. Ausserdem hat das Mobiliar Lab alle verfügbaren stündlichen Abflussdaten in der hydrologischen Schweiz harmonisiert und für einen Download aufbereitet (Kauzlaric et al. 2023).

Abb. 6: Hydrologische Schweiz mit Messstationen und Datenabdeckung von CAMELS-CH. Quelle: Höge et al. (2023).

Die Anmeldung zur Konferenz «RIMMA2025» vom 28. – 31. Januar 2025 ist ab sofort möglich. Im Zentrum der Konferenz, die an der Uni Bern stattfindet, stehen die Themen Meteorologie, Warndienste, Katastrophen- und Risikomanagement, Kartographie sowie Kommunikation.

Reservieren Sie sich den Termin für die RIMMA2025: Die internationale und interdisziplinäre Konferenz findet vom 28. – 31. Januar 2025 an der Universität Bern statt. Als Gastgeber und Teil des Organisationskomitees rund um Andreas Zischg, Christophe Lienert, Horst Kremers und David N. Bresch freut sich das Mobiliar Lab für Naturrisiken mitzuteilen, dass die Anmeldung zur RIMMA2025 veröffentlicht wurde. 

Die viertägige Konferenz ermöglicht den Austausch von bewährten Praktiken und bietet Raum für Diskussionen. Mit der Teilnahme von Fachpersonen aus den verschiedenen Disziplinen von Meteorologie, Warndiensten, Katastrophen- und Risikomanagement, Kartographie sowie Kommunikation soll eine Brücke zwischen der Forschung und der Praxis geschlagen werden und es sollen neue Synergien entstehen. 

Weitere Informationen zur Konferenz und der Anmeldung finden sich unter dem folgenden Link: www.rimma2025.org   

Unterstützt wird die RIMMA2025 von den folgenden Partnern und Sponsoren: LAINAT (BAFU, MeteoSchweiz, BABS, swisstopo, WSL/SLF, ETH Zürich, Seismologischer Dienst ETH Zürich), International Cartographic Association, Schweizerische Gesellschaft für Kartografie, DCNA Austria, Universität Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Abb. 7: Die RIMMA-Konferenz findet vom 28. – 31. Januar 2025 in Bern statt.

Newsletter – December 2023

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Schutzziele im Hochwasserschutz und Gefahrenstufen in der Frühwarnung sind wichtige Beurteilungskonzepte im Risikomanagement. In einer Studie hat das Mobiliar Lab diese Schutzziele für die Schweizer Hauptgewässer anhand des simulierten Hochwasserabflusses, ab dem Schäden entstehen, überprüft.

Für die Entwicklung des Tools «Hochwasserdynamik» hat das Mobiliar Lab neue Hochwassersimulationsmodelle verwendet, die es speziell zur Ermittlung der Auswirkungen von sehr extremen Hochwasserszenarien geschaffen hat. Diese Modelle erlauben es auch, für jeden Flussabschnitt den minimalen Hochwasserabfluss zu ermitteln, den es braucht, damit Schäden an Gebäuden, Personen oder Arbeitsplätzen entstehen können, den sogenannt schadenrelevanten Abfluss. Dieser Wert wurde ermittelt, indem auf das Einzugsgebiet zugeschnittene Abflussganglinien so lange verstärkt wurden, bis die simulierten Hochwasser erste Gebäude mit Wohnnutzung oder mit Arbeitsplätzen in Mitleidenschaft gezogen haben. Aus dem so ermittelten minimalen schadenverursachenden Spitzenabfluss wurden die Wiederkehrperioden aus der Extremwertstatistik abgeleitet.

Die Kartierung dieser Wiederkehrperioden ergibt eine Karte der Schutzziele aus Sicht des Schadenpotenzials (siehe Abb. 1). Schutzziele definieren das angestrebte Mass an Sicherheit für verschiedene Raumnutzungen, z. B. für geschlossene Siedlungen der Schutz gegen ein 100-jährliches Hochwasser. Die Karte zeigt eine grosse Variabilität der Schutzziele über die verschiedenen Flussabschnitte im Hauptgewässernetz. Die Betrachtung der Schutzziele für längere zusammenhängende Flussabschnitte zeigt generell etwas tiefere Abflusskapazitäten als für einzelne Querschnitte. Die erste Schwachstelle im System der Schutzbauten entlang eines Flussabschnittes, an der Ausuferungen zu Schäden an Gebäuden führen, bestimmt den schadenrelevanten Abfluss des gesamten Abschnittes und damit dessen Schutzziel.

Abb. 1: Schutzzielkarte für den schadenrelevanten Abfluss in Bezug auf betroffene Personen und Arbeitsplätze

In einem zweiten Schritt wurde der schadenrelevante Abfluss jedes Flussabschnitts mit den Schwellenwerten der Gefahrenstufen verglichen. Letztere werden bei Hochwasserwarnungen vom Bundesamt für Umwelt festgesetzt. Diese Analyse zeigt, dass die definierten Schwellenwerte sehr gut mit dem Schadenpotenzial übereinstimmen (Abb. 2). Ein schadenrelevanter Abfluss tritt in der Mehrheit der Flussabschnitte erst bei Gefahrenstufe 3 auf, bei vielen Flussabschnitten erst ab Gefahrenstufe 4 oder 5. Die gewählten Schwellenwerte für die Gefahrenstufen lassen deshalb in den meisten Flussabschnitten auch Rückschlüsse zum Schadenpotenzial zu.

Abb. 2: Karte der Gefahrenstufen, bei denen der schadenrelevante Abfluss erreicht wird in Bezug auf betroffene Personen und Arbeitsplätze

Die Analysen sind in dieser Masterarbeit zusammengefasst.

Die Entsiegelung von Verkehrsflächen ist eine von vielen möglichen Massnahmen für die Umsetzung des Schwammstadtkonzepts. Simulationsergebnisse am Beispiel des Länggassquartiers in Bern haben gezeigt, dass eine Entsiegelung von Parkplätzen Schäden an Gebäuden reduzieren kann, allerdings sollte eine solche Massnahme gleichzeitig mit anderen kombiniert werden.

Im Rahmen einer Masterarbeit wurde am Mobiliar Lab ein Simulationsexperiment mit einem hundertjährlichen Starkniederschlag unter heutigen und unter möglichen zukünftigen Bedingungen durchgeführt. Dabei wurden im Simulationsmodell die Parkplätze virtuell entsiegelt und als Versickerungsflächen eingebaut. Eine um 20 Prozent höhere Niederschlagsintensität bei derselben Ereignisdauer von einer Stunde führte bei der Simulation zu einem Anstieg der Schäden an Gebäuden durch Oberflächenabfluss um 15 Prozent.

Das Experiment zeigte, dass die Entsiegelung von Parkplätzen den Anstieg der Schäden durch die Niederschlagszunahme etwas abmildert (ca. 1 Prozent), doch sie kann die Folgen des zunehmenden Niederschlags nicht ausgleichen. Bezüglich Schäden gilt: Jeder versiegelte Parkplatz verursacht im Vergleich zu einer entsiegelten Fläche einen zusätzlichen Schaden an Gebäuden von 8 Franken pro Jahr. Die Simulationsergebnisse haben ausserdem gezeigt, dass die Lage der virtuell entsiegelten Parkplätze im Strassennetz eine wichtige Rolle für die Schadenminderung spielt.

Daraus ergeben sich zwei Haupterkenntnisse: Erstens muss die Planung von Entsiegelungen im Rahmen von Schwammstadtprojekten lokale Gegebenheiten berücksichtigen. Und zweitens zeigt sich, dass die Entsiegelung von Parkplätzen allein den erwarteten Effekt des zunehmenden Niederschlags aufgrund des Klimawandels nicht vollständig zu kompensieren vermag. Es gilt daher, verschiedene Massnahmen zu kombinieren – was das Schwammstadtkonzept ohnehin vorsieht.

Die Analysen sind in dieser Masterarbeit zusammengefasst.

Die Grundlagendaten für die Tools der «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» stehen nun aktualisiert zur Verfügung. Für die Tools «Schadenpotenzial Hochwasser» und «Schadensimulator» sind neu auch Informationen für das Fürstentum Liechtenstein vorhanden.

Im vergangenen September hat das Mobiliar Lab die Tools der «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» umfassend aktualisiert. Insbesondere steht die Datenbasis der Tools «Schadenpotenzial Hochwasser» und «Schadensimulator» aktualisiert zur Verfügung. Es wurden nicht nur die aggregierten Gebäudegrundrisse mit statistischen Daten und abgeleiteten Gebäudewerten neu berechnet, sondern auch die Daten zu den Bauzonenreserven in den Gemeinden erneuert. In einem weiteren Schritt wurden die aktualisierten Informationen zu den verschiedenen Schutzgütern mit den aktuellen kantonalen Gefahrenkarten verschnitten. Zudem wurden die Einflussfaktoren für das Szenario «2040» im «Schadensimulator» wieder auf den neusten Stand gebracht.

Abb. 3: «Schadensimulator» für das Szenario «2040» mit aktualisierten Daten für Gemeinden in der Schweiz und Liechtenstein.

Dank der Zusammenarbeit mit verschiedenen liechtensteinischen Stellen können nun auch Daten für das Fürstentum Liechtenstein zur Verfügung gestellt werden. Davon profitieren insbesondere Gemeindebehörden in Liechtenstein. Des Weiteren sind neu in allen Tools der «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» die Landeskarten des Bundesamtes für Landestopografie als Kartendienst eingebunden.

Höhepunkte im Jubiläumsjahr des Mobiliar Labs waren eine aussergewöhnliche Frühjahrsveranstaltung und der Wettbewerb «Die Schweiz sucht das grösste Hagelkorn». Das Jubiläum bot aber auch Anlass, auf die vergangenen Jahre zurückzublicken und die Zukunft ins Auge zu nehmen.

Die traditionelle Frühjahrsveranstaltung des Mobiliar Labs stand dieses Jahr ganz im Zeichen des Jubiläums. Sie fand im Mai in Burgdorf statt und veranschaulichte vor Ort an der Emme, welche Herausforderungen das Hochwasserrisiko an eine Stadt und seine Feuerwehr stellt. Im Rahmen dieser Exkursion zeigte das Mobiliar Lab auf, welche Unterstützung die in den vergangenen Jahren entwickelten Werkzeuge der «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» und die daraus gewonnenen Erkenntnisse für die Praxis bieten. Anschliessend diskutierten an der Jubiläumsveranstaltung Expertinnen und Experten die Bedeutung einer in der Gesellschaft verankerten Risikokultur. Das grosse Interesse am Anlass unterstrich eindrücklich die Relevanz der besprochenen Themen.

Aus Anlass seines Jubiläums hat das Mobiliar Lab die neue Informationsplattform Hagelforschung.ch aufgeschaltet. Darauf findet sich nicht nur aktuelles Wissen zum Hagel – inklusive Lernmodulen -, sondern es werden auch ausgewählte Highlights aus der Forschung der vergangenen zehn Jahre am Mobiliar Lab vorgestellt. Apropos Jubiläum: Haben Sie gewusst, dass am Lab in den vergangen zehn Jahren rund 60 Masterarbeiten abgeschlossen wurden? Zu finden sind sie hier.

Abb. 4: Das Gewinnerhagelkorn aus Adligenswil LU vom 12. Juli 2023.

Um die Hagelforschung besser bekannt zu machen, hat das Mobiliar Lab im Rahmen seines Jubiläums einen Wettbewerb für die breite Öffentlichkeit durchgeführt. Er lief während des vergangenen Sommers unter dem Titel «Die Schweiz sucht das grösste Hagelkorn», und rief die Bevölkerung auf, Fotos von möglichst grossen Hagelkörnern einzureichen. Gewonnen hat ein Bild, das ein knapp 5 cm grosses Korn zeigt, und in Adligenswil LU aufgenommen wurde. Ein Hagelkorn dieser Grösse vermag Lamellenstoren oder Lichtkuppeln zu zerstören, auch kann es erhebliche Schäden an Fahrzeugen anrichten. Die Wettbewerbsbilder wurden durch Hagelexpertinnen und -experten des Mobiliar Labs geprüft und mit verschiedenen Quellen abgeglichen. Dieses Vorgehen hat dazu beigetragen, neue Erkenntnisse zum Verständnis von Hagel zu gewinnen. Besten Dank allen Teilnehmenden am Wettbewerb für ihren wertvollen Beitrag!

Auch künftig wird das Lab von der Mobiliar Genossenschaft im Rahmen ihres Gesellschaftsengagement unterstützt. Und bereits wird seine erfolgreiche Geschichte weitergeführt: In Kürze starten zwei neue Dissertationen und zahlreiche innovative Masterarbeiten sind in Erarbeitung. Gleichzeitig werden weitere Tools entwickelt und Erkenntnissen für die Praxis gewonnen – gemeinsam mit den verschiedenen geschätzten Partnern aus der Praxis. All diese Aktivitäten werden auch in Zukunft zu einem noch besseren Umgang mit Naturrisiken beitragen.

Newsletter – July 2023

Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier. 

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Zu seinem 10-Jahre-Jubiläum schaltet das Mobiliar Lab eine neue Informationsplattform zum Thema Hagel auf (www.hagelforschung.ch) und lanciert diese mit dem Wettbewerb «Die Schweiz sucht das grösste Hagelkorn». Gesucht werden Fotos von grossen Hagelkörnern.

Der Forschungsschwerpunkt «Hagel» des Mobiliar Labs erhält neue Sichtbarkeit: Zu seinem 10-jährigen Bestehen hat das Lab die neue Informationsplattform hagelforschung.ch aufgeschaltet und gleichzeitig den Wettbewerb «Die Schweiz sucht das grösste Hagelkorn» lanciert. Er läuft von Anfang Juni bis Ende August und will die Bevölkerung dazu animieren, möglichst grosse Hagelkörner zu fotografieren, diese Bilder auf www.hagelforschung.ch hochzuladen und sich auf dieser Webseite unter anderem über das richtige Verhalten bei Hagel zu informieren.

Das Mobiliar Lab hat die neusten Erkenntnisse der Hagelforschung und -prävention in Form von Lernmodulen aufgearbeitet. Ausgelegt für die Sekundarstufe II, dienen die Module auch als aktuelles Nachschlagewerk zum Thema für alle Interessierten.

In vier Lernmodulen wird aktuelles Forschungs- und Praxiswissen zu Hagel im Allgemeinen und zum Hagelrisiko in der Schweiz im Besonderen vermittelt. Die Inhalte richten sich an die Sekundarstufe II und knüpfen an Themen aus dem Fach Geografie an. Im Zentrum stehen Fragestellungen und Lernaufgaben, die auf dem bestehenden Vorwissen der Lernenden aufbauen und zum selbständigen Denken und Recherchieren anregen. In einer weiterführenden Aufgabenstellung kann das angeeignete Wissen in jedem Modul mit praxisnahen Beispielen angewendet und vertieft werden. Die einzelnen Lernmodule können im Unterricht unabhängig voneinander eingesetzt werden, inhaltliche Verweise zwischen den einzelnen Modulen machen auf bestehende Zusammenhänge aufmerksam.

Abb. 2: Auszug aus den Aufgabestellungen

Die Lernmodule wurden durch das Mobiliar Lab erstellt. Das Projekt wurde didaktisch und fachlich von weiteren Expertinnen und Experten begleitet. In der Begleitgruppe wirkten ein Dozent für Geografie-Fachdidaktik sowie die MeteoSchweiz und Schutz-vor-Naturgefahren.ch/VKG (Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen) mit.

Die Unterlagen stehen auf Deutsch und Französisch frei zugänglich zur Verfügung.

Abb. 3: Beispiele der Lösungsvorschläge bzw. der Informationsvermittlung.

Die Auswertung «Schadenpotenzial Oberflächenabfluss» zeigt für jede Gemeinde das Schadenpotenzial auf, das sich aus der Gefährdung von Gebäuden durch Oberflächenabfluss ergibt. Fazit: Oberflächenabfluss betrifft alle Gemeinden, das Schadenpotenzial ist sehr hoch und es lohnt sich, diesen Prozess in Zukunft in der Raumplanung miteinzubeziehen.

Das Mobiliar Lab hat eine Übersicht zum Schadenpotenzial durch Oberflächenabfluss in der Schweiz erstellt, sie basiert auf der «Gefährdungskarte Oberflächenabfluss». Das Schadenpotenzial durch Oberflächenabfluss wurde auf Gemeindeebene ausgewertet, wobei gefährdete Gebäude, Gebäudewerte, wohnhafte Personen und Beschäftigte analog zum Tool «Schadenpotenzial Hochwasser» berechnet wurden.

Die Auswertung zeigt, dass 62 Prozent der Gebäude durch Oberflächenabfluss gefährdet sind. Das sind rund 1,3 Millionen Gebäude mit einem Neuwert von 2’300 Milliarden Franken. Zudem wohnen 76 Prozent aller Menschen in der Schweiz in Gebäuden, die durch Oberflächenabfluss gefährdet sind. 89 Prozent der Beschäftigten arbeiten in solchen Gebäuden.

Mit der Überlagerung der Anzahl gefährdeter Gebäude mit dem Anteil gefährdeter Gebäude pro Gemeinde kann auf einfache Art gezeigt werden, welche Gemeinden beim Oberflächenabfluss besonders stark exponiert sind. Im «Leitfaden zur Methodik» wird dabei eine kurze Analyse der erkennbaren Kartenmuster aufgezeigt. 

Abb. 4: Exposition der Gemeinden gegenüber Oberflächenabfluss pro Gemeinde.

In den meisten Kantonen sind in der gelben Gefahrenzone keine Massnahmen zum Hochwasserschutz erforderlich, doch sind in dieser Gefahrenzone 73 Prozent der Gebäude durch Oberflächenabfluss gefährdet. Das bedeutet, dass Objektschutzmassnahmen gegen Oberflächenabfluss hier auch gegen Hochwasser wirksam wären. In einem ersten Schritt lohnen sich Objektschutzmassnahmen daher vor allem bei Gebäuden in der gelben Hochwassergefahrenzone, die gleichzeitig auch durch Oberflächenabfluss gefährdet sind.

Wie die Forschung des Mobiliar Labs zeigt, ist Burgdorf ein Hochwasserhotspot. Zum 10-Jahre-Jubiläum lud das Lab vor Ort an der Emme zum Thema «Hochwasserrisiko gestern, heute und morgen» ein. Expertinnen und Experten erörterten das Thema anlässlich einer Exkursion und einer Podiumsdiskussion.

An der traditionellen Frühjahrsveranstaltung des Mobiliar Labs führten am 9. Mai Fachexpertinnen und Fachexperten der Stadt Burgdorf und des Mobiliar Labs rund 100 Interessierte an besonders aufschlussreiche Punkte der Stadt: zum Beispiel an Orte, wo es in der Vergangenheit Hochwasser gab oder wo bauliche Massnahmen zum Hochwasserschutz ergriffen wurden.

Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion waren sich die Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis einig, dass es künftig nicht nur reine Gefahrenprävention brauche. Nötig sei zudem eine gemeinsame Risikokultur. Dies erfordere interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachleute im Austausch mit der Öffentlichkeit. Man müsse gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Weitere Informationen zur Veranstaltung finden sich hier.

Abb. 5: Impressionen der Jubiläumsveranstaltung.

Newsletter – December 2022

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Im soeben produzierten Film legt ein Vertreter des Bevölkerungsschutzes dar, wie sich das Tool Hochwasserdynamik in der Notfallplanung konkret einsetzen lässt. Weiter erklärt Andreas Zischg, Co-Leiter des Mobiliar Labs und Professor an der Universität Bern, in aller Kürze, was hinter dem Tool steckt und welche Erkenntnisse es ermöglicht hat.

Link zum Kurzfilm: https://youtu.be/A7YUoUPd6PU

Abb. 1: Kurzfilm zum Tool Hochwasserdynamik.

Das Tool Überschwemmungsgedächtnis zählt bereits über 4000 verortete Bilder von Überschwemmungen aus der ganzen Schweiz. Nun ist das Tool auch in der überarbeiteten Schweizer Naturereignisdatenbank StorMe eingebunden. Dadurch sind die Bilder noch breiter zugänglich.

Das Überschwemmungsgedächtnis wurde Mitte 2018 aufgeschaltet, und seither haben 450 Urheberinnen und Urheber über 4000 Bilder aus der ganzen Schweiz hochgeladen. Diese einzigartige Bildsammlung aus über sieben Jahrhunderten ist neu als zusätzlicher Layer in der überarbeiteten StorMe-Plattform des Bundesamts für Umwelt (BAFU) eingebunden. Diese Integration erleichtert das Erfassen und Verwalten von Informationen zu Naturereignissen erheblich, da die Bilder im WebGIS mit weiteren räumlich verorteten Elementen überlagert werden können.

Die Bilder lassen sich nicht nur direkt auf StorMe anschauen, sondern können auch durch einen Direktlink in Originalauflösung und mit Zusatzinformationen auf überschwemmungsgedächtnis.ch begutachtet werden. Wie gewohnt, können Bilder auch weiterhin auf dieser Webseite hochgeladen werden, wo Userinnen und User komfortabel in der einzigartigen Bilderdatenbank stöbern können.

Die neue StorMe-Plattform ist ab sofort aufgeschaltet.

Abb. 2: Neu in StorMe integrierter externer Layer «Überschwemmungsgedächtnis».

Das Auftreten von mehreren extremen Niederschlagsereignissen innerhalb kurzer Zeit erhöht die Wahrscheinlichkeit und Dauer von hohen Abflüssen. Am deutlichsten zeigt sich dieser Effekt im Herbst auf der Alpensüdseite, wo die grossen Niederschlagsmengen meist zu extremen Abflüssen führen.

Wenn innerhalb weniger Wochen mehrere extreme Niederschlagsereignisse im gleichen Flusseinzugsgebiet auftreten, kann dies zu grossen Niederschlagssummen, extremen Abflüssen und sehr hohen Seepegeln führen. Im Rahmen einer Studie mit Beteiligung des Mobiliar Labs wurden Niederschlagscluster untersucht; das sind extreme Niederschläge, die innerhalb weniger Wochen (1–3) auftreten. Konkret wurde für jede Jahreszeit analysiert, wie oft Niederschlagscluster auftreten und wie diese mit dem Auftreten und der Dauer von extremen Flussabflüssen zusammenhängen.

Die zeitliche Häufung von Niederschlagsclustern weist ein ausgeprägtes zeitliches und räumliches Muster auf. Sie treten auf der Alpennordseite vorwiegend im Winter und auf der Alpensüdseite im Herbst auf. Die Niederschlagscluster tragen in diesen beiden Regionen im Mittel zwischen 10 und 16 Prozent der saisonalen Niederschläge bei. Generell erhöhen Niederschlagscluster die Wahrscheinlichkeit und Dauer von hohen Abflüssen im Vergleich zu Niederschlagsextremen, die isoliert auftreten. Insbesondere in tiefen Höhenlagen. Für den Winter gilt dies weniger ausgeprägt, da das Ausmass der Niederschlagsextreme dann eher gering ist und ein Grossteil des Niederschlags als Schnee fällt. Im Herbst hingegen folgen auf Niederschlagscluster, die mit grossen Niederschlagsmengen in den Südalpen verbunden sind, fast systematisch extreme Abflüsse.

Die Niederschlagscluster sind – je nach Region und Saison – ein wichtiger Faktor für das Auftreten und die Dauer von hohen Abflüssen. Diese Erkenntnis legt nahe, dass ein besseres Verständnis der Niederschlagscluster zur Senkung von Hochwasserrisiken beitragen kann. Ob hohe Abflüsse zu folgenschweren Überschwemmungen führen, hängt allerdings in jedem Fall zusätzlich vom Schadenpotenzial und von der Verletzlichkeit ab, die etwa durch vorhandene Gebäude, Infrastruktur sowie durch Präventions- und Vorsorgemassnahmen beeinflusst werden.

Der Artikel zur Studie ist hier abrufbar.

Abb. 3: Durchschnittliche Wahrscheinlichkeit eines hohen Abflusses nach 1–5 Tagen nach einem extremen Niederschlagsereignis für (a) nicht geclusterte, (b) innert 1 Woche geclusterte, (c) innert 2 Wochen geclusterte und (d) innert 4 Wochen geclusterte Ereignisse. Die Schraffierung in (b–d) zeigt Einzugsgebiete, in denen sich die Werte signifikant von jenen in (a) unterscheiden.

Eine Untersuchung der hochwassergefährdeten Strassen im Kanton Bern hat ergeben, dass sich die Länge des Strassennetzes seit 1940 verdoppelt hat, der Anteil der hochwassergefährdeten Strassen hingegen ist von 16 auf 14.5 Prozent zurückgegangen.

In den vergangenen Jahren hat das Mobiliar Lab für Naturrisiken das Siedlungswachstum in hochwassergefährdeten Gebieten und die damit verbundene zeitliche Entwicklung des Risikos untersucht. Studien haben gezeigt, dass in den letzten hundert Jahren ca. 110’000 Wohngebäude in Hochwasser-Gefahrenzonen gebaut wurden. Damit ist die Anzahl der hochwassergefährdeten Gebäude, also die Exposition, stark gestiegen: Der Anteil der hochwassergefährdeten Neubauten in der Schweiz hat von 1980 bis 2012 von 14 auf rund 16 Prozent zugenommen (Röthlisberger et al., 2016). Das mag erstaunen, da die Kantone seit 1991 verpflichtet sind, Gefahrenkarten für das Siedlungsgebiet zu erarbeiten und diese in die Raumplanung einfliessen.

Jedes neu erstellte Gebäude muss mit einer Strasse erschlossen werden. Deshalb kann erwartet werden, dass mit dem Bau von Gebäuden auch die Hochwasserexposition des Verkehrsnetzes steigt. Es fragt sich allerdings, ob sich die Exposition des Strassennetzes ähnlich wie die Exposition der Gebäude entwickelt hat. Dieser Frage ist Lorenz Caliezi in seiner Bachelorarbeit nachgegangen, in der er in einem ersten Schritt das Strassennetz des Kantons Bern historisiert hat. Jedem Strassenabschnitt wurde dabei das Datum zugewiesen, ab dem er das erste Mal in einer Landeskarte ersichtlich war. Die Länge des Strassennetzes hat sich demnach seit 1940 mehr als verdoppelt. In einem zweiten Schritt hat die Überlagerung des historisierten Strassennetzes mit den heutigen Gefahrenkarten gezeigt, dass sich die absolute Anzahl exponierter Strassenkilometer präzis verdoppelt hat. Das bedeutet, dass das Strassennetz innerhalb der Gefahrenzonen weniger stark gewachsen ist als ausserhalb. Während 1940 noch 16 Prozent des Strassennetzes in hochwassergefährdeten Bereichen lagen, sind es heute 14.5 Prozent. Die Hochwasserexposition des Strassennetzes im Kanton Bern hat also absolut gesehen zu-, doch relativ zum gesamten Strassennetz abgenommen.

Die Abnahme des Strassennetzanteils in hochwassergefährdeten Gebieten ist trotz einer Verdoppelung der Strassenkilometer im Kanton Bern aus Sicht des Hochwasserrisikos positiv zu werten. Doch es ist wichtig, dass bei der Planung von hochwassergefährdeten Infrastrukturanlagen und Gebäuden weiterhin ein Monitoring betrieben wird, damit frühzeitig Gebiete mit stark zunehmendem Schadenpotenzial erkannt und geeignete Massnahmen ergriffen werden können.

Eine interaktive Storymap gibt die ganze Geschichte der Studie wieder, liefert detaillierte Einblicke in die zeitliche Entwicklung und in die regionalen Unterschiede innerhalb des Kantons.

Abb. 4: Entwicklung der hochwassergefährdeten Strassen nach Gefahrenstufe.

Das Hochwasserrisiko in der Schweiz hat sich in den letzten Jahrhunderten verändert. Dies wird aus der Perspektive der Forschung im kürzlich erschienenen Buch «Flood Risk Change – A Complexity Perspective» anschaulich aufgezeigt.

Die Hochwasserrisiken werden von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Sie reichen von der Naturgefahr über die Exposition von Personen und Schutzgütern und deren Verletzlichkeit bis hin zu den Massnahmen des Risikomanagements. All diese Faktoren ändern sich über die Jahrzehnte und Jahrhunderte, und damit ändert sich auch das Hochwasserrisiko im Verlauf der Zeit. Das Mobiliar Lab für Naturrisiken hat in den letzten Jahren Forschung zu den Veränderungen all dieser Risikofaktoren durchgeführt. Nun ist ein Buch erschienen, welches diese Forschung zusammenfasst. Es zeigt aus einer zeitlich dynamischen Perspektive auf, wie sich die Hochwasserrisiken in den letzten Jahrzehnten verändert haben, und gibt einen Ausblick darauf, wie wir der Komplexität im Hochwasserrisikomanagement im 21. Jahrhundert begegnen können. Mit der Beschreibung vieler Fallstudien aus der Schweiz ist das Buch auch für Fachleute in der Schweiz interessant.

Das Buch finden Sie unter diesem Link (ISBN: 9780128220115).

Abb. 5: Das neu erschienene Buch fasst die Ergebnisse der letzten Jahre der Forschung zur Schweizer Hochwasserrisikoentwicklung am Mobiliar Lab zusammen und bettet sie in den Kontext ein.

Am 9. Mai 2023 findet in Burgdorf ab ca. 16:30 Uhr die traditionelle Frühjahrsveranstaltung des Mobiliar Labs für Naturrisiken statt. Wir nehmen unser 10-jähriges Jubiläum zum Anlass, um vor Ort das Hochwasserrisiko anhand von Werkzeugen zu diskutieren, die im Lab entwickelt wurden. Zugleich werden wir auch in die Zukunft des Mobiliar Labs blicken. Nähere Informationen folgen.

Newsletter – July 2022

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Bei einem grossräumigen Extremszenario für die Schweiz schnellen die Schäden vielerorts praktisch gleichzeitig sprunghaft in die Höhe und können den bisherigen Beobachtungsbereich deutlich übersteigen. Diese und weitere Erkenntnisse konnte das Mobiliar Lab mithilfe seines neuen Tools Hochwasserdynamik gewinnen.

Mit dem neuen Tool Hochwasserdynamik lassen sich erstmals für grosse Teile der Schweiz die konkreten Auswirkungen extremer, noch nie so aufgetretener Niederschlagsszenarien zeigen. Das «Denken des Undenkbaren» ermöglicht eine bessere Vorbereitung auf solche Extremereignisse. Das Tool simuliert den Ablauf des ausgewählten Niederschlagsereignisses sowohl in seiner räumlichen wie zeitlichen Entwicklung und Dynamik. Dadurch eröffnet es einen neuen Blick auf Hochwasserereignisse mit deren Auswirkungen und trägt als Übungstool für den Bevölkerungsschutz dazu bei, die Notfallplanung zu verbessern und Schäden zu mindern.

Das Mobiliar Lab setzt das Tool auch zu Forschungszwecken ein und hat die Simulationsresultate detailliert ausgewertet. Eine der wichtigsten daraus gewonnenen Erkenntnisse ist die sehr grosse überregionale Betroffenheit bei einem grossräumigen Extremszenario. Der Umstand, dass grosse Schäden an vielen Orten innerhalb des modellierten Einzugsgebiets fast gleichzeitig auftreten, führt innert Kürze zu einer komplexen und schwierig zu bewältigenden Situation, die bei den Einsatzkräften zu erheblichen logistischen und personellen Engpässen führen kann. Um auf solche Ereignisse effektiv reagieren zu können, ist eine koordinierte überregionale Notfallplanung zentral. Zudem ist es wichtig, den Zeitpunkt des zu erwartenden Überlastfalls zu kennen.

Weiter zeigen die Resultate der Simulationen, dass in einzelnen Fliessgewässern Hochwasserabflüsse auftreten können, deren Wassermengen den bisherigen Erfahrungs- und Beobachtungsbereich teilweise massiv überschreiten. Entsprechend ist mit deutlich höheren Schäden zu rechnen als mit jenen des Jahrhunderthochwassers von 2005. Es drängt sich daher auf, auch solche «undenkbaren» Situationen in die Präventionsplanung miteinzubeziehen.

Die ausführlichen Erkenntnisse lassen sich unter dem entsprechenden Menüpunkt innerhalb des Hochwasserdynamik-Tools nachlesen.

Abb. 1: Die Übersicht über die gleichzeitig betroffenen Gewässerabschnitte für ein ausgewähltes Extremniederschlagsszenario zeigt die räumlichen Abhängigkeiten.

Ausgangspunkt für die Entwicklung des Tools Hochwasserdynamik war ein Perspektivenwechsel: weg von der statischen Gefahrenbeurteilung hin zu einer dynamischen Sicht auf die Auswirkungen von Hochwasserereignissen. Diesen Wechsel in der Betrachtungsweise hat erst eine neu entwickelte Modellkette ermöglicht.

Wann und wo wird ein Fluss über die Ufer treten, und wie verändert sich die dadurch überflutete Fläche? Wie viele Personen müssen in welcher Reihenfolge aus den gefährdeten Gebieten evakuiert werden? Solche und viele weitere, für die Notfallplanung relevante Fragen erfordern eine dynamische Sichtweise, also Wissen zum Ablauf einer Überschwemmung. Zu diesem Zweck hat das Mobiliar Lab eine Modellkette entwickelt, in die neun Extremniederschlagsszenarien einfliessen und aus der konkrete Auswirkungen auf verschiedene Schutzgüter berechnet werden.

Am Beginn der Modellkette stehen Niederschlagsszenarien, die aus vergangenen Wettervorhersagen entnommen wurden. Es handelt sich dabei um Szenarien, die zwar extrem, aber physikalisch plausibel sind. Obwohl sie sich noch nie ereignet haben, könnten sie auftreten und grosse Teile der Schweiz betreffen. Die Szenarien fliessen in ein hydrologisches Modell ein, das sowohl die Gewässerabflüsse wie die Seepegel berechnet. In einem nächsten Schritt simuliert ein hydraulisches Modell daraus Ausdehnung, Tiefe und Fliessgeschwindigkeit des Wassers. Dies geschieht in stündlichen Zeitschritten mit Hilfe von Flussquerprofilen des Bundesamts für Umwelt. Schliesslich dienen diese Informationen zur Ermittlung der mit dem Szenario verbundenen Auswirkungen zum Beispiel auf Personen, Gebäude oder Strassen.

Simuliert wurden bisher die meisten Kopfeinzugsgebiete der Alpennordseite im Einflussbereich der grossen vermessenen Flüsse. Detaillierte Informationen zur Motivation und Methodik finden sich direkt im Online-Tool.

Das Tool Hochwasserdynamik ist in den Medien auf grosses Interesse gestossen. Die Mitarbeitenden des Projektteams kommen unter anderem in verschiedenen SRF-Sendungen von Anfang Juni 2022 zu Wort, etwa in Schweiz aktuell, Echo der Zeit oder Wissenschaftsmagazin.

Abb. 2: Die schematisch dargestellte Modellkette veranschaulicht den Weg vom Niederschlag bis zu seinen Auswirkungen.

Als zentrales Element des Tools dient die Zeitraffer-Funktion dazu, den Verlauf der simulierten Hochwasser in stündlicher Auflösung auf einer Karte der Schweiz zu verfolgen. Neben der Niederschlagsverteilung lassen sich auch die direkten und indirekten Auswirkungen auf verschiedene Schutzgüter darstellen.

Das Tool Hochwasserdynamik stellt Auswirkungen von Extremniederschlägen dar – vom Ansteigen der Gewässer bis zum Abklingen des Hochwassers. Dabei zeigt es kartographisch in sogenannten Storymaps auf verschiedenen Massstabsebenen die Dynamik eines Hochwasserereignisses, und es verdeutlicht die Prozesskette vom Niederschlag bis zu den möglichen Auswirkungen auf Personen, Arbeitsplätze, Strassen und verschiedene Nutzungsarten von Gebäuden. Neben direkten Auswirkungen werden im Tool auch indirekte Auswirkungen auf Strassen visualisiert. Dargestellt sind daher nicht nur direkt von Überschwemmungen betroffene Strassen, sondern auch solche, auf denen es aufgrund von unterbrochenen Abschnitten zu Ausweichverkehr kommen könnte.

Neben der Wassertiefe lässt sich die Überschwemmung in sogenannten Gefährdungsklassen darstellen, die sich aus Wassertiefe und Fliessgeschwindigkeit berechnen. Die vier Klassen zeigen, welche Auswirkungen die Überschwemmungen auf verschiedene Schutzgüter haben. Damit werden auf der Karte jene Bereiche hervorgehoben, in denen erhebliche Schäden an Gebäuden möglich sind oder sich Personen und Fahrzeuge in Gefahr befinden. Ersichtlich ist auch, wo keine Durchfahrt für Fahrzeuge besteht. Weiter zeigt das Tool, wo trotz Überschwemmung keine Personen und Fahrzeuge gefährdet sind.

Für alle Gewässerabschnitte sind zudem zusammenfassende Informationen zu den jeweils betroffenen Schutzgütern einsehbar, also etwa dazu, wie viele Spitäler, Schulen oder Arbeitsplätze durch ein ausgewähltes Extremniederschlagsszenario gefährdet sind.

Erkunden Sie das Tool selbst oder lassen Sie sich beim Start im Bildschirmvideo die wichtigsten Funktionen zeigen.

Abb. 3: Bildschirmfoto aus dem Tool: Dargestellt sind die Gefährdungsklassen und die Auswirkungen auf Strassen in der Gewässerabschnitt-Ansicht.

Die diesjährige Frühjahrsveranstaltung des Mobiliar Labs fand für einmal nicht in einem Vorlesungssaal statt, sondern auf einem Schiff umgeben vom wunderschönen Bergpanorama rund um den Thunersee.

Auf der Schifffahrt vom 18. Mai 2022 stellten Mitarbeitende des Mobiliar Labs den circa 120 Teilnehmenden des Anlasses Erkenntnisse aus deren Arbeit mit Bezug zur Region Thun vor. Sie zeigten in verschiedenen Inputs einerseits auf, weshalb Thun sowohl ein Hochwasser- als auch ein Hagelhotspot ist. Andererseits legten sie die Bedeutung dieser beiden Naturphänomene für die ganze Schweiz dar. Ergänzt wurden die Beiträge durch die lokale Sicht zweier Thuner Referierender.

Detailliertere Informationen und die Begleitbroschüre zur Veranstaltung finden Interessierte unter diesem Link auf der Webseite des Mobiliar Labs. Weitere Eindrücke in Form von Text, Bildern und Videos sind in einem Artikel des Thuner Tagblatts beziehungsweise in den während der Veranstaltung geposteten Instagram-Stories des Uni Bern-Accounts festgehalten.

Abb. 4: Eindrücke der speziellen Frühjahrsveranstaltung vom 18. Mai 2022 auf dem Thunersee.

Am 14. November 2022 findet in Bern ab ca. 17 Uhr die Mobiliar Lab Lecture mit Prof. Bruno Merz von der Universität Potsdam, einem führenden Forscher im Bereich der Hochwasserrisiken statt. Nähere Informationen folgen.

Newsletter – December 2021

Dies ist der zehnte Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

Die Forschungsinitiative Hochwasserrisiko ist um eine Komponente reicher: Fünf Lernmodule fördern das vertiefte Verständnis von Hochwasserrisiken auf der Sekundarstufe II – sowohl im Schulzimmer wie im Freien.

Fünf thematisch gebündelte Lernmodule auf hochwasserrisiko.ch ermöglichen Schülerinnen und Schülern einen Zugang zum Thema Hochwasserrisiken. Sie knüpfen an Geografie-Lehrpläne und aktuelle Lehrmittel der Sekundarstufe II an und beziehen die Tools der Forschungsinitiative Hochwasserrisiko sowie weitere Webseiten und Daten mit ein. Zum Beispiel die kantonalen Gefahrenkarten.

Durch den modularen Aufbau lassen sich die fünf Einheiten Hochwasserrisiken verstehen, beurteilen, beeinflussen, modellieren und prognostizieren individuell in den Unterricht einbauen. Die Module enthalten sowohl Aufgaben, die fürs Schulzimmer wie auch für eine Geländebegehung in der Umgebung der Schülerinnen und Schüler konzipiert sind. Auf diese Weise schaffen sie Bezüge zu eigenen Erfahrungen, ordnen die digitalen, frei zugänglichen Inhalte ein – und sie stellen davon ausgehend weiterführende Überlegungen an. Während die Aufgabenstellungen kurz gehalten sind – sie erlauben bei Bedarf weitere Präzisierungen durch die Lehrkräfte –, zeigen die detaillierten Lösungsvorschläge Zusammenhänge anschaulich auf und leuchten die verschiedenen Aspekte der Hochwasserrisikothematik aus.

Die Lernmodule wurden durch Dr. Matthias Probst, Dozent für Fachdidaktik Geografie an der PH Bern und Geografielehrer am Gymnasium Burgdorf, in Zusammenarbeit mit dem Mobiliar Lab erarbeitet. Sie stehen auf Deutsch und Französisch zur Verfügung.

Abb. 1: Einblick in die Lernmodule auf hochwasserrisiko.ch.

Verletzlichkeitsfunktionen spielen bei der Modellierung von Hochwasserschäden eine zentrale Rolle. Anhand von Experteneinschätzungen hat das Mobiliar Lab eine neue, räumlich unabhängige Verletzlichkeitsfunktion entwickelt, sie mit bestehenden Funktionen verglichen und in einem Hochwasserschadenmodell für die Aare getestet.

Für eine Modellierung von Hochwasserschäden, wie sie im Rahmen des Risikomanagements durchgeführt wird, ist die verwendete Verletzlichkeitsfunktion absolut zentral. Der Grund: Sie weist den modellierten überschwemmten Objekten direkt eine Schadenhöhe in Abhängigkeit ihres Werts zu. Um solche Funktionen herzuleiten, existieren heute verschiedene Ansätze.

Das Mobiliar Lab hat nun eine weitere Methode entwickelt: In einem ersten Schritt wurde eine neue Verletzlichkeitsfunktion für Gebäude ermittelt. In einem zweiten Schritt wurde sie anhand einer Schadenmodellierung im Einzugsgebiet der Aare oberhalb von Bern getestet. Dabei wurden auch Modellläufe mit anderen Verletzlichkeitsfunktionen durchgeführt und miteinander verglichen.

Die neue Funktion basiert auf Experteneinschätzungen anhand von gezielten Stichproben repräsentativer Gebäude, die auf Basis der vorliegenden Hochwassermodellierungen und der regionalen Gebäudecharakteristika vorgenommen wurden. Dieser Ansatz bietet den Vorteil, dass er auch auf Regionen mit kaum verfügbaren Daten übertragbar ist. Die neue Funktion wurde mit folgenden bestehenden Funktionen verglichen: einem Ensemble von Verletzlichkeitsfunktionen aus der Literatur, einer regionsspezifischen Verletzlichkeitsfunktion, die mit Schadendaten von Versicherungen kalibriert wurde, sowie mit einer Verletzlichkeitsfunktion, die im schweizerischen Hochwasserrisikomanagement häufig verwendet wird (EconoMe).

Der Vergleich der Verletzlichkeitskurven lässt sich so zusammenfassen: Ältere Einfamilienhäuser weisen die höchste Verletzlichkeit auf, kommerziell genutzte und hochpreisige Gebäude die tiefste. Vor 1990 gebaute Gebäude werden generell als verletzlicher eingestuft als neuere. Im Vergleich zur EconoMe- Verletzlichkeitsfunktion ergab sich eine leicht höhere Verletzlichkeit für Mehrfamilienhäuser und eine deutlich tiefere für kommerziell genutzte Gebäude.

Die Schadensimulationen mit den verschiedenen Verletzlichkeitsfunktionen ergaben im untersuchten Perimeter folgendes grobes Bild: Mit EconoMe entstehen die höchsten Schäden, mit der in der Studie des Mobiliar Labs entwickelten Verletzlichkeitsfunktion traten die zweithöchsten Schäden auf, mit der regionsspezifischen die dritthöchsten und mit dem Mittel aus den ausgewählten Literatur-Verletzlichkeitsfunktionen ergaben sich die tiefsten Schäden.

Die Ergebnisse zeigen, dass Heuristiken wie die hier angewandte eine wertvolle Alternative zur Entwicklung von Hochwasserschadenmodellen in Regionen ohne oder mit nur wenig verfügbaren Daten über Hochwasserschäden sein können. Die Studie ist unter diesem Link kostenlos einsehbar.

Abb. 2: Vergleich verschiedener Verletzlichkeitsfunktionen: (a) im Rahmen dieser Studie ermittelte, (b) aus der Literatur stammende, (c) mit regionsspezifischen Schadendaten ermittelte und (d) aus EconoMe herkommende Verletzlichkeitsfunktion (hier exemplarisch dargestellt mit einer Fliessgeschwindigkeit von 0 m/s). «Detached buildings» stehen für Einfamilienhäuser, «apartment buildings» für Mehrfamilienhäuser, «commercial buildings, high value» für kommerziell genutzte Gebäude mit einem Gebäudewert von über CHF 850'000 und «commercial buildings» für kommerziell genutzte Gebäude mit einem Gebäudewert von weniger als CHF 850'000.

Worin unterscheiden sich die Wetterlagen, wenn Hageltage gehäuft oder isoliert auftreten? Wie neue Forschungsresultate des Mobiliar Labs zeigen, ist bei gehäuften Hageltagen nördlich der Alpen der Westwind schwächer, die Temperatur wärmer und die Luft feuchter als an isolierten Hageltagen. Diese Erkenntnisse können für die Hagelvorhersage verwendet werden.

Hageltage treten in der Schweiz sowohl vereinzelt als auch gehäuft auf. Die wiederholten Hagelereignisse im Juni 2021 waren ein sehr gutes Beispiel für eine Häufung von Hageltagen. Eine neue Studie des Mobiliar Labs beschreibt nun solch gehäuft und isoliert vorkommende Hageltage und identifiziert deren synoptischen, also grossräumigen, und lokalen Wetterbedingungen. Es haben sich dabei signifikante Unterschiede gezeigt.

Bereits drei Tage bevor sich Hageltage nördlich der Alpen häufen, ist eine Abschwächung der grösserskaligen Winde feststellbar. Typischerweise ist an einem gehäuft auftretenden Hageltag der bodennahe Druck flach verteilt, der Wind auf Tropopauseniveau schwach und die maximalen Tagestemperaturen höher als an isolierten Hageltagen (siehe Abb. 3). Zudem ist die Luft an gehäuften Hageltagen signifikant feuchter und energiegeladener (höhere sogenannte CAPE-Werte). Oft befindet sich ausserdem eine Front west- bis nordwestlich der Schweiz, ungefähr über den Küsten Spaniens und Frankreichs, während an isolierten Hageltagen Fronten in der Tendenz nördlich des Jurabogens positioniert sind.

Südlich der Alpen sind diese Unterschiede weniger ausgeprägt. Die Hälfte der gehäuften Hageltage südlich der Alpen sind gleichzeitig auch nördlich der Alpen gehäuft. Wenn sich Hageltage nur südlich der Alpen häufen, findet sich oft eine Front über dem Alpenbogen und die lokalen bodennahen Winde sind stärker.

Diese Ergebnisse können als Grundlage für eine verbesserte Hagelprognose dienen. Der Artikel zur Studie wurde im Journal «Weather and Climate Dynamics» zur Publikation akzeptiert und ist kostenlos einsehbar.

Abb. 3: Durchschnittliche Tagesmaximaltemperatur (gefärbte Flächen; in Grad Celsius) und durchschnittlicher Bodendruck (schwarze Linien; Zahlen geben die Druckdifferenz zu 1000 hPa an) im europäischen Raum während Hageltagen, die nördlich der Alpen gehäuft (links) und isoliert (rechts) auftreten.

An der SIA-Ausstellung «Dangers naturels, même pas peur!» in Delsberg (JU) konnte sich im vergangenen Herbst ein junges Publikum interaktiv mit Naturgefahren und den damit verbundenen Berufsfeldern auseinandersetzen. Die Wanderausstellung wird an weiteren Standorten Halt machen.

46 Schulklassen und zahlreiche weitere Interessierte haben sich im vergangenen September und Oktober in Delsberg an der Wanderausstellung des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA Wissen zu den Naturgefahren und -risiken in der Schweiz angeeignet – und dies gleich mit mehreren Sinnen. Denn zur attraktiven Präsentation der Ausstellungsinhalte dienten Visualisierungen, Versuchsmodelle sowie eine Virtual Reality-Brille. Neben den thematischen Inhalten zu Naturgefahren erhielten die Besucherinnen und Besucher zudem Einblick in entsprechende Berufe. So konnten sie unter anderem die Tätigkeiten einer Meteorologin, eines Hydraulikers oder einer Forstingenieurin kennenlernen.

Das Mobiliar Lab hat sich mit drei eigenen Posten an der Ausstellung beteiligt: Das Thema «Hochwasser und Überschwemmung» wurde mit Hilfe des Überschwemmungsgedächtnisses veranschaulicht, die Thematik «Hochwasserschäden» anhand des Schadensimulators und der Hagel mit dem Hagelmessnetz-Projekt.

Die Planung der weiteren Standorte in der Romandie und allenfalls auch in der Deutschschweiz ist aktuell im Gang. Die Daten werden zu gegebener Zeit auf den SIA-Webseiten publiziert (SIA / SIA Jura).

Abb. 4: Eindrücke der Ausstellung mit den interaktiven Tools der Forschungsinitiative Hochwasserrisiko «Schadensimulator» (links und Mitte) und «Überschwemmungsgedächtnis» (rechts).

Am 18. Mai 2022 findet in Thun ab 15 Uhr die Frühjahrsveranstaltung statt – und zwar eine Veranstaltung der «anderen Art». Neugierige und an Hochwassern Interessierte sollten sich das Datum bereits heute reservieren. Nähere Informationen folgen.

Newsletter – June 2021

Dies ist der neunte Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

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Wie verändern sich Hagelstürme in einem wärmeren Klima? Werden Hagelstürme und grosse Hagelkörner häufiger? Auch wenn sich diese Fragen noch nicht abschliessend beantworten lassen, zeigt eine internationale, vom Mobiliar Lab geleitete Studie, mit welchen Änderungen künftig zu rechnen ist.

Hagelstürme führen in der Schweiz jedes Jahr zu Millionenschäden in der Landwirtschaft, an Gebäuden und an Fahrzeugen – gleichzeitig sind sie eine der Wettergefahren, über deren zukünftige Entwicklung noch sehr wenig Wissen existiert. In einer neuen grossen internationalen Studie unter der Leitung des Mobiliar Labs wird der weltweite Stand des Wissens zusammengefasst.

Wärmere und feuchtere Luftmassen, wie wir sie in einem wärmeren Klima häufiger finden, bieten gute Bedingungen für die Entstehung von heftigen Gewittern. Gleichzeitig liegt die Nullgradgrenze in einem wärmeren Klima in der Atmosphäre höher. Das bedeutet einerseits, dass Hagelkörner in der höheren Atmosphäre in den heftigeren Gewittern stärker wachsen und dass sie andrerseits auf ihrem Weg zum Boden länger in warmen Luftschichten unterwegs sind. Deshalb schmelzen sie stärker. Sehr kleine Hagelkörner lösen sich gar vollständig auf, bevor sie auf der Erde ankommen. In Kombination werden diese beiden gegenläufigen Prozesse künftig im Mittel zu grösseren Hagelkörnern am Boden führen als heute. Ob diese grösseren Körner auch häufiger sind, bleibt eine offene Frage.

Grosse Unsicherheiten betreffen insbesondere die Rolle von kleinen Partikeln in der Atmosphäre einerseits, sogenannte Aerosole, an welchen die Hagelkörner in den Wolken zu wachsen beginnen, und andrerseits die Bewegung der Hagelkörner durch Hagelgewitter. Beide Faktoren haben einen wichtigen Einfluss auf die Menge und die Grösse der Hagelkörner. Insgesamt ist festzuhalten, dass die einzelnen Forschungsergebnisse der aktuell vorhandenen Studien zu dieser Thematik teilweise widersprüchlich sind und weiterhin grosser Forschungsbedarf besteht.

Die Studie ist unter diesem Link kostenlos einsehbar.

Im Rahmen des nationalen Projekts «Hydro-CH2018» haben Forschende am Mobiliar Lab untersucht, wie sich die Abflussregime in einem wärmeren Klima verändern. Ihr Fazit: Die saisonalen Abflüsse werden sich deutlich ändern, Hoch- und Niedrigwassersituationen entsprechend verschärfen.

Der Klimawandel beeinflusst den gesamten Wasserkreislauf. Dessen spezifischen Auswirkungen wurden im vor Kurzem abgeschlossenen nationalen Projekt «Hydro-CH2018», das vom Bundesamt für Umwelt koordiniert wurde, erforscht. Zu diesem Zweck wurden in einer kürzlich erschienenen Studie hydrologische Szenarien für 93 Einzugsgebiete in der Schweiz für verschiedene Emissionsszenarien erstellt und analysiert. An diesem Projekt waren auch Forschende des Mobiliar Labs beteiligt.

Die Resultate zeigen klar, dass sich die Abflussregime in der Schweiz mit dem Klimawandel verändern werden. Im Winter nehmen die Abflüsse zu, da die Winterniederschläge zunehmen und diese Niederschläge häufiger in der Form von Regen statt Schnee fallen. Im Sommer und Herbst hingegen nehmen die Abflüsse aufgrund abnehmender Sommerniederschläge und erhöhter Verdunstung ab. Im alpinen Raum kommt hinzu, dass durch den Rückgang der Gletscher und der Erhöhung der Nullgradgrenze auch der Beitrag aus der Gletscher- und Schneeschmelze wegfällt. Im Frühling nehmen die Abflüsse in den alpinen Gebieten zu, während die Abflüsse in tieferliegenden Gebieten tendenziell abnehmen.

Das Ausmass der Veränderungen, die sich unter anderem in Hoch- und Niedrigwassersituationen widerspiegeln, hängt stark von der Lage des Einzugsgebietes ab, wobei alpine Einzugsgebiete voraussichtlich stärker betroffen sind. Signifikante Änderungen werden in alpinen Gebieten meist etwas früher auftreten als in den tieferliegenden Gebieten. Das Ausmass der Veränderungen verstärkt sich umso mehr, desto stärker die globale Erwärmung ausfällt. Mit konsequentem Klimaschutz können zwar nicht alle Veränderungen verhindert werden, doch das Ausmass lässt sich stark reduzieren.

Für die Praxis besonders interessant: Viele Resultate und Geodaten können im Hydrologischen Atlas der Schweiz sowie im Hydro-CH2018 Webatlas interaktiv dargestellt und heruntergeladen werden. Zum Beispiel die zu erwartenden Abflüsse in Einzugsgebieten unter Berücksichtigung der verschiedenen Klimaszenarien. Weitere aufbereitete Erkenntnisse finden sich im Synthesebericht und in der Broschüre zum Projekt.

Die Hauptstudie, die eine Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstands liefert, sowie die Studie zu den aufbereiteten wissenschaftlichen Daten sind kostenlos einsehbar.

Abb. 1: Relative Veränderung des Winterabflusses (links) und des Sommerabflusses (rechts) bis Ende des 21. Jahrhunderts verglichen mit der Referenzperiode 1981-2010 in einem Szenario ohne Klimaschutz. Die Farben zeigen die relative Änderung des Medians an (beste Schätzung). Schwarze Kreise zeigen Gebiete mit robusten Veränderungen, d.h. mindestens 90 % aller Modelle zeigen die gleiche Richtung der Veränderung an (positiv oder negativ).

Mit der Klimaerwärmung werden kombinierte Extremereignisse wie etwa gleichzeitige Hitze- und Trockenperioden wahrscheinlicher. Warum wir diese sogenannten Compound Events besser verstehen müssen, erklärt Olivia Romppainen, die Co-Leiterin des Mobiliar Labs, in diesem Beitrag.

Compound Events sind komplexe Wetter- oder Klimaereignisse, bei denen räumliche, zeitliche oder physikalische Abhängigkeiten der Wetter- und Klimagefahren die Folgen der einzelnen Ereignisse potenzieren. Was abstrakt klingt, lässt sich durch die folgenden Beispiele konkret veranschaulichen.

Neben dem gleichzeitigen Auftreten einzelner Ereignisse entstehen Compound Events auch, wenn verschiedene Ereignisse nacheinander auftreten: Nehmen wir zum Beispiel an, es fallen extrem starke Niederschläge und gleichzeitig wehen Winde von Orkanstärke. Was hat das nun für Folgen für Infrastrukturanlagen wie die Strassen? Was geschieht, wenn die Strassen wegen umgestürzten Bäumen blockiert sind und die Feuerwehren nicht mehr zu überschwemmten Gebäuden gelangen? Als weiteres Beispiel dient die kürzlich in Australien beobachtete Abfolge von Ereignissen, nämlich dass zuerst ein tropischer Sturm auftritt und danach sehr feuchtheisse Bedingungen herrschen. Wenn der Sturm nun die Elektrizitätsversorgung lahmlegt, sind die Menschen der nachfolgenden Hitzewelle schutzlos ausgesetzt, weil sie nicht mehr adäquat kühlen können.

Abb. 2: Waldbrände sind Compound Events: Für grosse Waldbrände sind sehr trockene und windige Bedingungen sowie weitere nicht atmosphärische Faktoren wie Brennstoff und eine Zündquelle nötig.

Das Mobiliar Lab hat in diesem Frühjahr eine virtuelle Konferenz zu diesem Thema mit mehr als 350 internationalen Teilnehmenden mitorganisiert. Olivia Romppainen, Mitorganisatorin der Tagung und Co-Leiterin des Mobiliar Labs, erklärt im Interview, warum die Erforschung von Compound Events zentral für das Verständnis der zukünftigen Klimarisiken ist.

Das detaillierte Programm sowie die aufgezeichneten Vorträge sind ab sofort auf der Webseite der Konferenz aufgeschaltet. Weitere Informationen zu Compound Events finden Sie auf der Damocles Webseite.

Die Mobiliar Lab Lecture «Klima und Gesellschaften in Europa – die letzten 1000 Jahre» mit Christian Pfister und Heinz Wanner fand am Donnerstag, 10. Juni 2021 statt und wurde online übertragen. Hier gelangen Sie zur Aufzeichnung der Lecture.

Abb. 3: Aufzeichnung der Mobiliar Lab Lecture 2021 mit Heinz Wanner und Christian Pfister (Bild: Kaspar Meuli).

Am 14. September 2021 findet in Zofingen die Herbstveranstaltung statt. Unter freiem Himmel beleuchten Akteure aus Praxis und Wissenschaft das Starkregenereignis aus dem Jahr 2017 sowie dessen Folgen und zeigen erstmals anhand von Mobilfunkdaten, welchen Einfluss das Ereignis auf die Mobilität von Personen hatte.

Waren in den vergangenen Tagen La-Chaux-de-Fonds, Wattenwil und Cressier (NE) von Starkregenereignissen betroffen, war es am 8. Juli 2017 die Region Zofingen. Dieses Ereignis steht denn auch im Zentrum der diesjährigen Herbstveranstaltung des Mobiliar Labs. Sie findet am Dienstag, 14. September 2021 ab ca. 16 Uhr in Zofingen statt.

An neuralgischen Orten in Zofingen erläutern Einsatzkräfte die Bewältigung des schadenreichen Ereignisses und Fachleute aus Wissenschaft und Praxis zeigen auf, welche konkreten Folgen das Ereignis auf die Erstellung von Schutzmassnahmen hatte, wie sie anhand von Mobilfunkdaten Rückschlüsse auf das Mobilitätsverhalten von Personen während des Ereignisses ziehen und welche Bedeutung Starkregenereignisse in einem wärmeren Klima auf das Hochwassermanagement haben.

Nähere Informationen folgen zu einem späteren Zeitpunkt.

Newsletter – December 2020

Dies ist der achte Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

Vous pouvez lire la version française de la newsletter en cliquant ici.

Als Alternativangebot zur traditionellen Herbstveranstaltung des Mobiliar Labs stehen ab sofort drei Kurzfilme auf hochwasserrisiko.ch bereit. Sie zeigen, wie sich heutige und zukünftige Hochwas-serschäden abschätzen lassen und wie der Schadensimulator bei konkreten Fragestellungen aus der Praxis Unterstützung bietet. 

Im Rahmen der jährlich stattfindenden Herbstveranstaltung greift das Mobiliar Lab aktuelle Themen des Labs auf und diskutiert sie mit Fachleuten aus der Praxis. Aufgrund der gegenwärtigen Umstände musste die für den 4. Dezember 2020 geplante Veranstaltung vertagt werden. Stattdessen haben wir das Online-Angebot «Hochwasserschäden heute und morgen – entdecken Sie mit uns den Schadensimulator» geschaffen. Es besteht aus drei kurzen Videos.

Erfahren Sie darin, weshalb Hochwasserschäden in der Schweiz eine wichtige Rolle spielen, welche Forschungsfragen sich daraus für das Mobiliar Lab ergaben und wie darauf basierend der Schadensimulator entwickelt wurde. Und entdecken Sie anhand von vier Fragestellungen aus der Praxis, wie Sie den Schadensimulator konkret anwenden können. Um trotz der digitalen Form eine gewisse Interaktion zu ermöglichen, laden wir Sie ein, mit uns Kontakt aufzunehmen – beispielsweise um methodische Fragen oder Anwendungsmöglichkeiten des Schadensimulators in Ihrem Umfeld zu besprechen.

Abb. 1: Das Angebot «Hochwasserschäden heute und morgen – entdecken Sie mit uns den Schadensimulator» besteht aus drei Kurzvideos, die auf der Plattform hochwasserrisiko.ch abrufbar sind.

Bauliche Objektschutzmassnahmen an Gebäuden beeinflussen mögliche Überschwemmungsschäden entscheidend. Zwei Projektarbeiten zeigen nun, wie gross der Anteil an geschützten Gebäuden heute ist und wie er sich beeinflussen liesse.

Überschwemmungsschäden können mit baulichen Objektschutzmassnahmen effizient vermieden oder geringgehalten werden. Solche Massnahmen sind beispielsweise erhöhte Türschwellen oder Lichtschächte, die verhindern, dass Wasser in ein Gebäude eindringen kann. Doch wie gross ist die Reduktion des möglichen Schadenausmasses durch Objektschutzmassnahmen am Gebäudepark heute? Und wie gross in Zukunft? Diesen Fragen ist das Mobiliar Lab für Naturrisiken bei der Entwicklung des Tools «Schadensimulator» nachgegangen. Da keine gesamtschweizerischen Angaben über die Verbreitung von Objektschutzmassnahmen an Gebäuden in den Hochwassergefahrenzonen existieren, wurden dazu Interviews mit 13 Expertinnen und Experten aus 8 Kantonen geführt.

Abb. 2: Abschätzung der Verbreitung von Objektschutzmassnahmen am heutigen Gebäudebestand innerhalb der Gefahrenzonen Hochwasser in der Schweiz. Die Angaben sind als Mittelwerte über die ganze Schweiz zu verstehen.

Mit Blick auf die folgenden Aspekte mag erstaunen, dass die Anteile von Gebäuden mit Schutzmassnahmen nicht grösser sind. Es besteht offensichtlich Handlungsbedarf: In der gelben Gefahrenzone ist das Schadenpotenzial gross, da sich hier sehr viele Gebäude befinden. Doch nur 2 % der Gebäude verfügen über Objektschutz. In der blauen Gefahrenzone sind zwar in den meisten Kantonen Objektschutzmassnahmen vorgeschrieben, doch nur 11 % der Gebäude sind tatsächlich mit Objektschutz ausgerüstet. In der roten Gefahrenzone ist die Gefahr am grössten, und es gilt ein Verbot von Neubauten. Allerdings verfügen nur 10 % der Gebäude über Objektschutz.

Die erwähnten schweizweiten Mittelwerte sind vorsichtig zu interpretieren, denn obwohl viele Schätzwerte aus der Befragung nahe beieinander liegen, sind die regionalen Unterschiede gross: zum Beispiel zwischen einzelnen Kantonen oder zwischen Bergregionen und Mittelland oder zwischen Gebieten, die in der Vergangenheit von Hochwassern betroffen waren oder solchen, die nicht betroffen waren.

Ins Tool «Schadensimulator» ist zudem die Zuverlässigkeit der Objektschutzmassnahmen eingeflossen. Es wird angenommen, dass nur 50 % der vorhandenen Objektschutzmassnahmen im Einsatzfall auch wirklich funktionieren. Gründe für das Versagen reichen von Alterung, fehlender Wartung, falscher Handhabung der baulichen Teile bis zur falschen Dimensionierung der Massnahmen.

Der Anteil der Gebäude mit Objektschutzmassnahmen wird zukünftig insbesondere aufgrund von Um- und Neubauten generell zunehmen. Wie aber kann die Umsetzung dieser Massnahmen gefördert werden? Welches sind die hemmenden und treibenden Faktoren, die Eigentümerinnen bei der Umsetzung von Objektschutzmassnahmen gegen Wasserschäden beeinflussen? Flavia Zumbühl hat diese Fragen in ihrer Masterarbeit exemplarisch im Berner Oberland untersucht und konnte zeigen, dass insbesondere die Grundeigentümer besser informiert und beraten werden sollten. Zentrale Rollen kommen dabei einerseits den Architektinnen zu, welche Gebäude oder Umbauten planen. Andererseits sind auch die Bauverwalter von grosser Bedeutung, da sie die Baugesuche bearbeiten und Schutzmassnahmen aktiv unterstützen können. Weiter ist es wichtig, dass die Gebäudeversicherungen lenkende Massnahmen ergreifen und durch aktive Kommunikation, Beratungsangebote sowie finanzielle Anreize die Umsetzung von Objektschutzmassnahmen fördern.

Die Ergebnisse der Untersuchung zur Verbreitung von Objektschutzmassahmen sind unter diesem Link einsehbar. Relevante Fakten zu Objektschutzmassnahmen sind in diesem Video vorgestellt.

Befragungen von Akteuren sowie die Analyse historischer Hochwasser haben bestätigt, wie wichtig die Risikowahrnehmung fürs Hochwasserrisikomanagement ist. Die Forschungsinitiative Hochwasserrisiko bezweckt mit ihren Tools, diese Wahrnehmung zu stärken.

Forschende des Mobiliar Labs für Naturrisiken haben an einer interdisziplinären Fallstudie im Aaretal massgeblich mitgewirkt. Eine wichtige Erkenntnis daraus: Die Wahrnehmung von Hochwasserrisiken für ein erfolgreiches integrales Risikomanagement ist entscheidend. Deshalb ist wichtig, das Risikobewusstsein aufrecht zu erhalten bzw. zu fördern – insbesondere in längeren überschwemmungsarmen Phasen. Im Aaretal werden dazu Hilfsmittel wie Zeitungsartikel, Visualisierungen, Informationstafeln, Begehungen und Versammlungen eingesetzt. Zudem empfiehlt sich im Rahmen der Bevölkerungssensibilisierung, nicht nur zu zeigen, dass in einem bestimmten Gebiet Hochwassergefahr besteht, sondern gleichzeitig auch zu vermitteln, wie Hochwasser entstehen, welchen Einfluss der Mensch darauf hat und wie sich Hochwasserrisiken mit entsprechenden Massnahmen verringern lassen. 

Für die Studie wurden in den 18 Gemeinden entlang der Aare zwischen Thun und Bern Befragungen zur Wahrnehmung der Hochwassergefahr und zur Präferenz von Massnahmen (Infrastruktur, Renaturierung, Raumplanung, Information) für das Hochwasserrisikomanagement durchgeführt. Durch eine räumliche Analyse des Naturgefahrenereigniskatasters des Kantons Bern konnte die Hochwasser-Exposition zwischen 1995 und 2017 abgeschätzt werden (s. Abb. 3). Durch eine Korrelationsanalyse liess sich schliesslich feststellen, ob aus statistischer Sicht ein Zusammenhang zwischen den drei Variablen Wahrnehmung, Massnahmen und Exposition besteht.

Die Erkenntnisse aus dieser Studie bestärken das Mobiliar Lab für Naturrisiken darin, Aktivitäten wie die «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» voranzutreiben. Damit wollen wir einerseits der Bevölkerung anschauliche und fundierte Grundlagen zum Thema Hochwasserrisiko vermitteln und andererseits Fachpersonen Hilfsmittel für einen effektiveren Umgang mit Hochwasserrisiken zur Verfügung stellen. Konkrete Beispiele dafür sind etwa das Überschwemmungsgedächtnis oder der Schadensimulator.

Die Studie ist unter diesem Link einsehbar.

Abb. 3: Anzahl Aare-Überschwemmungsereignisse im Untersuchungsgebiet zwischen 1995 und 2017.

Weshalb begeht die Schweiz mit ihrem neuen Hagelmessnetz weltweit Neuland? Wie funktioniert das Messnetz, welche Resultate lassen sich erwarten, und wem nützen sie? Diese und weitere Fragen beantwortet ein neuer Kurzfilm zum Schweizer Hagelmessnetz.

Der Film «Das Schweizer Hagelmessnetz – für ein besseres Verständnis von Hagel» ist unter diesem Link auf YouTube einsehbar.

Abb. 4: Die Projektpartner Mobiliar Lab, MeteoSchweiz, Mobiliar und innet zeigen im gemeinsamen Film «Das Schweizer Hagelmessnetz – für ein besseres Verständnis von Hagel», wie das Messnetz entstanden ist und wie es funktioniert.

Newsletter – June 2020

Dies ist der siebte Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

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Seit kurzem ist die neue Webseite schadensimulator.ch online. Sie visualisiert auf einer Schweizer Karte heutige und zukünftige mögliche Hochwasserschäden und zeigt, wie sie sich beeinflussen lassen. Eine wichtige Rolle spielen dabei unter anderem die bauliche Verdichtung sowie der Objektschutz. 

Vier von fünf Schweizer Gemeinden waren in den vergangenen 40 Jahren von Überschwemmungen betroffen. Das sorgte nicht nur für viel Beeinträchtigungen bei der betroffenen Bevölkerung, sondern auch für hohe Kosten. Um diese in Zukunft zu vermindern, ist ein adäquater Schutz nötig. Die dafür nötigen Gefahrenkarten lassen sich mit dem neuen Schadensimulator (www.schadensimulator.ch) nun besser interpretieren: Der Simulator weist für jede Gemeinde der Schweiz aus, wie gross das mögliche Schadenausmass bei einem Hochwasser ist. Mit seiner Hilfe lässt sich zudem simulieren, wie sich das mögliche Schadenausmass in Zukunft verändern könnte, zum Beispiel wenn die bestehenden Bauzonen überbaut würden. Der Schadensimulator ist deshalb eine wichtige Entscheidungshilfe für Behörden, Planerinnen und Ingenieure.

Das Online-Tool basiert auf neu entwickelten Modellen und statistischen Analysen, die neben Überschwemmungsschäden der vergangenen Jahre die Lage der Gebäude in den Gefahrenzonen und Informationen zu den Gebäuden berücksichtigen. Die zukünftige Verdichtung der Siedlungsräume wurde auf Grund von Szenarien zu Veränderungen von Bevölkerung und Arbeitsplätzen modelliert.

Auf dem Schadensimulator basierende Forschungsarbeiten des Mobiliar Labs belegen, dass mögliche Schäden in Gebieten, in denen nur eine geringe Hochwassergefährdung besteht (gelbe Zonen auf der Gefahrenkarte), bis anhin stark unterschätzt wurden. Der Grund: Zwar sind die Schäden bei einem einzelnen Gebäude gering, doch weil die gelben Zonen oftmals stark überbaut sind, ist die Gesamtschadensumme hier auch im Vergleich mit den stärker gefährdeten blauen und roten Zonen sehr hoch. Allerdings werden in der gelben Gefahrenzone – im Gegensatz zur blauen Zone – in den meisten Kantonen beim Um- oder Neubau von Gebäuden von den Bauherren keine spezifischen Massnahmen gegen Hochwasser verlangt.

Die Forschungsarbeiten zeigen ebenfalls, dass die gefährdeten Gebäudewerte zunehmen werden. Die höheren Schäden, die dadurch verursacht werden, lassen sich allerdings mit geeigneten Massnahmen begrenzen, gerade auch in Gebieten mit geringer Hochwassergefährdung. Objektschutzmassnahmen beispielsweise könnten schon mit tiefen Kosten eine grosse Wirkung erzielen. Soll das mögliche Schadenausmass entscheidend vermindert werden, reicht es allerdings nicht, nur bei Neubauten Objektschutzmassnahmen vorzuschreiben – sie müssen zwingend auch an bestehenden Bauten realisiert werden.

Abb. 1: Der auf den Hochwasser-Gefahrenkarten basierende Schadensimulator zeigt die Veränderung des möglichen Schadenausmasses für verschiedene Szenarien auf. Dazu können Einflussfaktoren wie der überbaute Anteil der Bauzonenreserven oder der Anteil mit durch Objektschutzmassnahmen geschützte Gebäude selbst eingestellt werden.

Die Plattform hochwasserrisiko.ch wurde neu aufgebaut und mit Anwendungsbeispielen aus der Praxis angereichert. Mögliche Einsatzbereiche der verschiedenen Tools werden anhand von Videos, Vorher-Nachher-Bildvergleichen und kurzen Berichten und Interviews aufgezeigt.

Die auf der Plattform hochwasserrisiko.ch verankerten Tools der «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» des Mobiliar Labs für Naturrisiken sind soeben mit dem Angebot „Schadensimulator“ ergänzt worden. Neu werden für jedes Tool verschiedene Anwendungsbeispiele aus der Praxis aufgezeigt und laufend ergänzt. Ziel der gemeinsamen Hochwasserrisiko-Plattform ist, Erkenntnisse und Werkzeuge aus der Wissenschaft noch breiter in der Praxis bekannt zu machen. Auf hochwasserrisiko.ch lassen sich die Beispiele in Form von Videos, Vorher-Nachher-Bildvergleichen und bebilderten Kurzberichten und Interviews erkunden.

Abb. 2: Der direkte, interaktive Bildvergleich ohne und mit Überschwemmung aus Melchnau (BE) soll das Bewusstsein vor der Hochwassergefährdung schärfen. Dass Ereignisbilder wie das Bild rechts auch direkt im Hochwasserschutz eingesetzt werden können, ist im Interview mit Christian Eicher auf hochwasserrisiko.ch nachzulesen. Fotos: Mobiliar Lab für Naturrisiken und Christian Eicher.

Die Beurteilung der Exposition von Infrastruktur gegenüber Hochwasser ist für ein gesamtheitliches Risikomanagement von entscheidender Bedeutung. Doch obwohl die Methodenwahl dabei absolut zentral ist, gibt es Strassenabschnitte, die unabhängig von der gewählten Methode immer als stark exponiert klassiert werden.

Für die Expositionsanalysen von Strasseninfrastruktur gegenüber Naturgefahren werden unterschiedliche Methoden angewendet. Da die jeweiligen Ergebnisse aber zu sehr unterschiedlichen Entscheidungen im Risikomanagement führen können, muss der Methodenwahl spezielle Beachtung geschenkt werden. 

Das Mobiliar Lab für Naturrisiken hat dazu in einer Studie für die Schweiz drei Methoden entwickelt und miteinander verglichen. Als Gefahrengrundlagen hat sie sich im Siedlungsgebiet auf die kantonalen Gefahrenkarten und ausserhalb des Siedlungsgebiets auf Aquaprotect gestützt. Die Ergebnisse wurden in Rasterzellen von 2 km x 2 km aggregiert, um einen räumlichen Vergleich zu ermöglichen. 

In der Schweiz zeigen sich unterschiedliche räumliche Muster der Exposition. Mit Methode A, bei der potenziell überschwemmte Strassenflächen analysiert wurden, können jene Gebiete identifiziert werden, in denen sich viele Strassenflächen in gefährdeten Zonen befinden (städtische Gebiete oder Gebiete mit hoher Strassendichte in Überschwemmungsgebieten). Bei Anwendung von Methode B werden hingegen jene Gebiete hervorgehoben, in welchen sich ein sehr hoher Anteil der gesamten Strassenoberfläche in gefährdeten Zonen befindet. In der Schweiz betrifft dies beispielsweise jene Gebirgsregionen, in denen sich Strassenverbindungen im Tal befinden. Die im Vergleich höheren Werte bei Anwendung der Methode C identifizieren Gebiete mit Streckenabschnitten, in denen zentrale Strassenverbindungen des Verkehrsnetzes von Überschwemmungen betroffen sein können. Diese Methode basiert auf einem Netzwerkansatz, der die Abschnitte nach deren Wichtigkeit im Verkehrsnetz gewichtet.

Die Studie zeigt einerseits auf, dass in der Schweiz einige Gebiete und Strassenabschnitte existieren, die auf Basis aller drei Methoden die höchste Klassifizierung erreichen. Andererseits zeigt sie, wie wichtig eine geeignete Auswahl von Methoden für die Analyse der Hochwasserexposition ist – entsprechend der jeweiligen Fragestellung für das Risikomanagement von Strasseninfrastruktur. 

Die Studie inklusive detailliertem Methodenbeschrieb ist hier einsehbar.

Abb. 3: Übersicht der hochwasserexponierten Schweizer Strassenabschnitte. Die dunkelrot eingefärbten Pixel zeigen Abschnitte, die von allen drei Methoden als stark exponiert klassiert wurden und daher besonderer Beachtung im Risikomanagement bedürfen. Die blau eingefärbten Pixel andererseits stehen für die Abschnitte, die als am wenigsten exponiert klassiert wurden. Die dazwischen liegenden Werte sind weiss dargestellt und nicht sichtbar.

Studien zu den lokalen Auswirkungen des Klimawandels benötigen hochaufgelöste Datensätze zur lokalen Klimatologie. Im Rahmen eines Forschungsprogramms des BAFU und der WSL wurden Klimakarten mit einer Auflösung von 25 m x 25 m erstellt, die das Mobiliar Lab zum Download aufbereitet hat.

Schutzwald schützt einen wesentlichen Anteil der Infrastruktur in der Schweiz vor Naturgefahren. Im Zuge des Klimawandels ist es wichtig zu erforschen, ob die aktuelle Schutzfunktion auch in Zukunft erhalten bleibt. Ein erster Schritt dazu ist die Modellierung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Waldstandortstypen und damit auf die Baumartenzusammensetzung. Im Rahmen des Forschungsprogramms «Wald und Klimawandel» des Bundesamtes für Umwelt BAFU und der Forschungsanstalt WSL hat ein breit aus Wissenschafterinnen, Forstingenieuren und Entscheidungsträgern zusammengesetztes Team die Verschiebung der Vegetationshöhenstufen im Wald modelliert.

Die Karten der Veränderungen der Vegetationshöhenstufen des Waldes wurden kürzlich im Geoinformationsportal des Bundes publiziert. In einem partizipativen Ansatz wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Waldstandorte bestimmen lassen, die sehr sensitiv auf den Klimawandel reagieren. Dieser partizipative Modellierungsansatz wird derzeit von der WSL, vom BAFU und von den Kantonen umgesetzt. 

Das Mobiliar Lab hat die hochaufgelösten Kartengrundlagen, die für die Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels erstellt wurden, zum Download aufbereitet. Die Methoden für die Erarbeitung der Karten sind in einem wissenschaftlichen Artikel beschrieben. Es handelt sich um Karten zu den saisonalen and jährlichen Temperaturwerten mit Berücksichtigung von lokalspezifischen Besonderheiten wie Kaltluftseen (Referenzperioden 1961-1990 und 1981-2010), zur thermischen Kontinentalität, zur Globalstrahlung, zur relativen Luftfeuchtigkeit, zum Föhneinfluss, zu Frosttagen und zur Vegetationsperiode. Die Karten wurden für die Waldmodellierungen entwickelt, können aber ebenso für andere Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels verwendet werden.

Abb. 4: Beispiel aus der Kartensammlung: Mittlere Tiefst- (links) und Höchststände (rechts) der jährlichen Lufttemperatur in der Periode 1981–2010.

Aktualisierung: Die für den 4. Dezember 2020 geplante Herbstveranstaltung wird aufgrund der aktuellen Situation durch ein Onlineangebot ersetzt. "Hochwasserschäden heute und morgen – Entdecken Sie mit uns den Schadensimulator" wird im Dezember 2020 aufgeschaltet.

Die im März geplante Mobiliar Lab Lecture wird verschoben. Die diesjährige Herbstveranstaltung «Zum Umgang mit Hochwassern: von der Gefahren- zur Schadensicht» findet am Vormittag des 4. Dezember 2020 statt.

Die Mobiliar Lab Lecture «Klima und Gesellschaften in Europa – die letzten 1000 Jahre» von Christian Pfister und Heinz Wanner musste aufgrund der aktuellen Versammlungseinschränkung verschoben werden. Das neue Datum wird zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben.

An der diesjährigen Herbstveranstaltung «Zum Umgang mit Hochwassern: von der Gefahren- zur Schadensicht» des Mobiliar Labs werden neue Erkenntnisse und Werkzeuge zu heutigen Hochwasserschäden und deren zukünftigen Entwicklung mit verschiedenen Akteuren diskutiert. Sie wird am Vormittag des 4. Dezember 2020 in der Welle 7 in Bern stattfinden. Am Nachmittag wird am selben Ort das vom OcCC organisierte 12. Symposium zur Anpassung an den Klimawandel mit dem Titel «Wasser jetzt und in Zukunft – Stehen Antworten für die Herausforderungen bereit?» stattfinden.

Newsletter – December 2019

Dies ist der sechste Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

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Hochaufgelöste Niederschlagsdatensätze umfassen meistens eine allzu kurze Zeitspanne, um mehrere Starkniederschlagsereignisse mit unterschiedlicher räumlicher Ausprägung abzudecken. Dank einem neuen methodischen Ansatz ist das Mobiliar Lab in der Lage, solche Ereignisdaten zu generieren.

Saisonale Wettervorhersagen werden inzwischen von mehreren Wetterzentren operationell gerechnet. Diese Vorhersagen reichen über den Prognosehorizont von klassischen Wettervorhersagen hinaus. Sie verfolgen das Ziel, saisonale Tendenzen abzuschätzen und Fragen zu beantworten wie: Wird der kommende Winter überdurchschnittlich kalt? Wird der nächste Sommer speziell trocken?

Für Mitteleuropa ist die Güte solcher Vorhersagen gegenwärtig klein. Nichtsdestotrotz sind die von den Modellen errechneten Simulationen realistisch. Sie stellen eine der möglichen Varianten dar – oder im Fachjargon: eine mögliche Realisation des Klimasystems. Saisonale Wettervorhersagen sind deshalb ein Archiv, in dem sich nach Starkniederschlagsereignissen oder anderen Wetterextremen suchen lässt. Daten aus diesem Archiv können Messreihen ergänzen und zusätzliche Informationen über extreme, und damit seltene, Ereignisse liefern.

Das Mobiliar Lab hat diesen Ansatz mit Daten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage für die Schweiz getestet. Insgesamt umfasst der Datensatz rund 9000 Jahre an Wettersimulationen. Die Gitterweite dieser Geodaten beträgt rund 35 Kilometer, die zeitliche Auflösung 6 Stunden. Für ein globales Wettermodell ist diese räumliche und zeitliche Auflösung sehr hoch, für hydrologische Anwendungen in der kleinräumigen Schweiz hingegen ist sie zu grob. Eine der Herausforderungen des Projekts war deshalb, die Auflösung des Modells zu erhöhen. Das Mobiliar Lab hat dazu eine statistische Methode angewandt, die auch im Kontext von Klimawandelstudien verwendet wird.

Die im Rahmen der Studie gemachten Versuche haben gezeigt, dass dieser Ansatz für die Schweiz tatsächlich funktioniert. Dies aus drei Gründen: Erstens kann die räumliche und die zeitliche Auflösung mit der gewählten statistischen Methode erhöht werden. Zweitens reproduzieren die Simulationen des Wettermodells die statistischen Eigenschaften von beobachteten Starkniederschlagsereignissen. Und drittens enthält der Datensatz extreme Niederschlagsereignisse mit verschiedenen räumlichen Ausprägungen.

Für kleine Gebiete lässt sich der Ansatz allerdings nur beschränkt anwenden. Die künstliche Erhöhung der räumlichen und zeitlichen Auflösung scheitert, wenn es darum geht, hohe Niederschlagsintensitäten auf einer kleinen räumlichen Skala zu reproduzieren, wie sie etwa mit Wetterstationen gemessen werden. Wenn der Fokus aber auf Einzugsgebieten liegt, die grösser als 300 km2 sind, was der Fläche des Kantons Schaffhausen entspricht, dann liefern die Niederschlagsszenarien realistische Werte.

Das Mobiliar Lab arbeitet momentan daran, die beschriebene Methode zu verfeinern und eine Modellkette aufzubauen. Sie soll ermöglichen, mit Niederschlagsszenarien als Eingangsgrösse die resultierenden Überflutungen und Gebäudeschäden abzuschätzen. Wie eine solche Modellkette erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigt exemplarisch der nachfolgende Artikel «Vom globalen Klimamodell zum Schaden auf Einzelgebäudeebene» anhand des Einzugsgebiets der Aare.

Zur Berechnung von grösstmöglichen Schadenszenarien hat das Mobiliar Lab ein globales Klimamodell mit einem regionalen Klima- und Wettervorhersagemodell verknüpft. Die resultierenden Wetterszenarien wurden in ein gekoppeltes hydrologisches und hydraulisches Modell eingespeist.

Für viele praktische Anwendungen ist es interessant, Ausmass und Folgen eines grösstmöglichen Hochwasserereignisses in einem Flusseinzugsgebiet zu kennen. Die grösste Herausforderung für Höchstschadenabschätzungen stellt die Herleitung eines physikalisch plausiblen Niederschlagsereignisses dar. Stochastische und statistische Verfahren bilden die physikalischen Vorgänge in der Atmosphäre nicht ab und sind deshalb nur bedingt für die Herleitung von extremen Niederschlagsszenarien geeignet.

In einer Studie des Mobiliar Labs wurde nun ein Verfahren entworfen, mit dem sich solche Szenarien entwickeln lassen. Um Wetterereignisse für eine lange Zeitperiode (400 Jahre) zu generieren, kam ein globales Klimamodell zum Einsatz. Wie im vorhergehenden Newsletter-Beitrag geschildert, wurde dabei angestrebt, die Variabilität in Niederschlagsereignissen möglichst gesamthaft und physikalisch plausibel abzubilden. Aus dieser Zeitreihe wurden anschliessend jene Tage und Niederschlagsereignisse ausgewählt, welche die grössten Gebietsniederschläge aufweisen. Danach wurden die entsprechenden Daten mit Hilfe eines regionalen Klimamodells herunterskaliert. Die hochaufgelösten Niederschlagsfelder wurden dann in ein hydrologisches und ein hydraulisches Modell eingespeist, das die Überflutungen simuliert. Die Überflutungskarten wiederum dienten als Eingangsdaten für ein Hochwasser-Schaden-Modell.

Neu und einzigartig an dieser Studie ist die Kopplung von Simulationsmodellen über mehrere räumliche und zeitliche Skalenebenen, d.h. von der räumlichen Auflösung von 100 x 100 km und täglichen Auflösung eines globalen Klimamodells, bis zur räumlichen Auflösung auf der Ebene von Einzelgebäuden und der zeitlichen Auflösung von Sekunden.

Das Verfahren wurde am Beispiel des Einzugsgebiets der Aare oberhalb von Bern entwickelt. Es hat sich gezeigt, dass damit physikalisch plausible Extremereignisse für Höchstschadenschätzungen abgeleitet werden können.

Die Studie ist hier einsehbar.

Wie eine neue Studie des Mobiliar Labs zeigt, verändern die prognostizierten höheren Jahresniederschläge das Hochwasserrisiko erheblich. Die Abschätzung des künftigen Risikos hängt aber auch stark von der Wahl der Verletzlichkeitsfunktion ab.

Hochwasserschutzbauten sind auf eine lange Lebensdauer ausgelegt. Deshalb ist für die Planung von Hochwasserschutzmassnahmen Wissen über die möglichen zukünftigen Änderungen im Hochwasserabfluss als Folge des Klimawandels unentbehrlich. Die Abschätzung der möglichen Änderungen im Hochwassergeschehen ist trotz der vielen Weiterentwicklungen bei Klima- und hydrologischen Modellen noch immer mit grossen Unsicherheiten behaftet. Dazu kommen zusätzlich Unsicherheiten in den Schadenberechnungen.

In einer neuen Studie des Mobiliar Labs wurden die wichtigsten Unsicherheiten in den Modellen zur Klimafolgenabschätzung analysiert und miteinander verglichen. Am Beispiel der Emme zwischen Burgdorf und Gerlafingen wurden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Hochwasserschäden abgeschätzt. Dabei wurde getestet, welche Auswirkung eine Zunahme des Niederschlags auf die Zunahme der Schäden hat. Im Rahmen dieser Sensitivitätsstudie wurde die Niederschlagsmenge fortlaufend erhöht. Dabei zeigte sich: Eine Niederschlagszunahme um 20 % würde ein heutiges 100-jährliches Hochwasser derart verändern, dass bis zu sieben Mal grössere Schäden entstünden. Zu klären bleibt, ob diese Resultate auf andere Einzugsgebiete übertragen werden können.

Allerdings zeigt die Studie auch, dass die Wahl der Verletzlichkeitsfunktion zur Berechnung der Schäden an Gebäuden einen der grössten Unsicherheitsfaktoren darstellt. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass Massnahmen zur Verringerung der Vulnerabilität, wie flächendeckende Objektschutzmassnahmen, die Unsicherheiten der Risikomodellierung reduzieren. Dadurch wird diese robuster, was das Risikomanagement in einem sich wandelnden Klima einfacher macht, weil dessen Folgen besser abschätzbar werden.

Die Studie ist hier einsehbar.

Für die Schadenberechnung an Gebäuden fehlen robuste und regional übertragbare Verfahren weitgehend. Dank dem Zusammenführen verschiedenster Schadendaten aus dem Alpenraum konnte eine neue Verletzlichkeitsfunktion für dynamische Hochwasserprozesse in Gebirgsräumen hergeleitet werden.

Die Modellierung von Gefahrenprozessen, wie beispielsweise Hochwasserereignissen, ist heute sehr weit fortgeschritten. Schätzung und Berechnung der im Alpenraum durch Hochwasserprozesse verursachten Schäden an Gebäuden sind vor Ereignisauftritt hingegen immer noch schwierig. Sediment- und Schwemmholztransport, rasches Auftreten von Hochwasserereignissen sowie häufig grosse Fliessgeschwindigkeiten erhöhen die Unsicherheiten von Folgenabschätzungen.

Für Prozesse in Wildbächen steht neu ein Modell für die Analyse der Schadensempfindlichkeit von Gebäuden zur Verfügung. Dieses Modell basiert auf Daten von Schadenereignissen in verschiedenen Regionen des Alpenraums und kann ebenso szenarienbasierte Vorhersagen über die Höhe der zu erwartenden Schäden abbilden wie Unsicherheiten. Zudem lässt sich berechnen, wie wahrscheinlich ein Totalschaden ist, und wie wahrscheinlich es ist, dass bei einem Ereignis gar kein Schaden auftritt. Es hat sich gezeigt, dass das Modell gute Ergebnisse bringt und auf andere Alpenregionen übertragen werden kann.

Die Studie ist hier einsehbar.

Newsletter – June 2019

Dies ist der fünfte Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

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Starkregenereignisse führen oft zu Schäden, z. B. infolge Überflutung von Untergeschossen und Unter-führungen. Eine Überlagerung von Schadendaten von Versicherungen mit Niederschlagsdaten zeigt, ab welchen Schwellenwerten Niederschlagsereignisse schadenrelevant werden.

Oberflächenabfluss verursacht zumeist kleinere und lokal begrenzte Hochwasserereignisse. Ihre Schadenrelevanz ist aufgrund der Häufigkeit und der weiten Verbreitung dennoch hoch. Deshalb stellt sich für Prävention und Frühwarnung die wichtige Frage, wie stark und intensiv Niederschläge sein müssen, um schadenrelevant zu sein. Das Problem hierbei ist, dass eine Untersuchung von einzelnen lokalen Schadenereignissen kaum Aussagen zulässt, die auf andere Gebiete übertragen werden können. Die Niederschlags-Schwellenwerte, die in einem Gebiet zu einem Schaden geführt haben, müssen in einem anderen Gebiet nicht unbedingt schadenrelevant sein. Es gibt sehr viele Faktoren, die lokal den Oberflächenabfluss beeinflussen. So beispielsweise der Boden, die Landnutzung bzw. Versiegelung, Drainage, das Entwässerungssystem, die Bauweise von Gebäuden u. v. a. m.

In einer neuen Studie hat das Mobiliar Lab alle verfügbaren Daten über Schäden durch Oberflächenabfluss in der Schweiz zusammengetragen. Diese über 15‘000 georeferenzierten Schadenereignisse an Gebäuden und Fahrhabe wurden anschliessend mit den Niederschlagsdaten von MeteoSchweiz (CombiPrecip) überlagert. In einem nächsten Schritt wurden die Charakteristika von schadenrelevanten und nicht-schadenrelevanten Niederschlägen systematisch untersucht und so das Phänomen Oberflächenabfluss erstmals auf einer nationalen Ebene durchleuchtet.

Dabei konnte gezeigt werden, dass die absoluten Schwellenwerte in der topografisch und klimatisch heterogenen Schweiz stark variieren. Eine Unterscheidung zwischen schadenrelevanten und nicht-relevanten Niederschlagsereignissen kann sich auf lokale Quantile der maximalen Intensität und der Gesamtsumme der Ereignisniederschläge stützen. Ein Schwellenwertmodell, das auf diesen beiden Parametern basiert, ist in der Lage, Regenereignisse, die zu schadenrelevanten Oberflächenabflussereignissen führen können, zu klassifizieren. Dies in grossen Gebieten mit komplexer Topographie und einer Vielzahl von geologischen Bedingungen. Diese Erkenntnisse stellen einen wichtigen Schritt dar für die Entwicklung von wirkungsorientierten Frühwarnsystemen. Wetterwarndienste oder Versicherungsgesellschaften können auf diesen Erkenntnissen aufbauen, um Ansätze für benutzerspezifische Warnungen auf nationaler Ebene oder für das Nowcasting zu entwickeln.

Die Studie ist unter diesem Link einsehbar.

Für Risikoanalysen sind nur selten monetäre Werte von potenziell betroffenen Gütern verfügbar. Das Mobiliar Lab hat nun praxistaugliche Methoden zu deren Berechnung entwickelt. Dabei hat sich gezeigt, dass für regionale Analysen nicht so detaillierte Datengrundlagen nötig sind, wie angenommen.

Je grösser, desto teurer – diese Faustregel gilt auch für Gebäude. Für die robuste Schätzung von Gebäudewerten ist der Einbezug des Gebäudevolumens deshalb unabdingbar. So lässt sich der Gebäudewert auch in Berechnungstools für quantitative Risikoanalysen (z. B. EconoMe des Bundesamts für Umwelt) anhand des Volumens und eines objektspezifischen Kubikmeterpreises abschätzen. Aber welcher Kubikmeterpreis ist sinnvoll? Basierend auf Daten der 19 Kantonalen Gebäudeversicherungen (KGV) hat das Mobiliar Lab über alle Gebäude der Schweiz einen durchschnittlichen Kubikmeterpreis von CHF 720 ermittelt. Differenziert nach Kantonen ergeben sich aus denselben Daten Werte zwischen 420 CHF/m3 (Jura) und 1040 CHF/m3 (Basel-Stadt).

In der gleichen Grössenordnung liegt die Spannweite der Werte differenziert nach Bauzonentyp und Gebäudezweck, die auf adressgenau verorteten Gebäudeversicherungsdaten aus zehn Kantonen basieren. Diese Werte variieren zwischen 376 CHF/m3 (ausserhalb Bauzone, ohne Wohnzweck) und 954 CHF/m3 (Zonen für öffentliche Bauten, mit Wohnzweck). Alternativ zu den Ansätzen mit pauschalen oder differenzierten Kubikmeterpreisen schlagen die Forscherinnen und Forscher des Mobilar Labs ein Regressionsmodell mit den drei erklärenden Variablen Volumen, Bauzone und Gebäudezweck vor. Verschnitten mit Karten zur Hochwassergefährdung und aggregiert auf 10 km2 ergeben sich mit allen Methoden sehr ähnliche Expositionswerte und -muster.

Daraus lässt sich schliessen, dass volumenbasierte Methoden bereits bei einer Aggregation über wenige Quadratkilometer eine robuste Schätzung der exponierten Gebäudewerte ergeben und deshalb für regionale bis nationale Risikoanalysen geeignet sind. Für die Praxis besonders relevant ist folgende Erkenntnis: Gebäudewerte, die mit Methoden geschätzt wurden, die unter anderem auf pauschalen Angaben in öffentlichen KGV-Geschäftsberichten beruhen, führen zu ähnlichen Resultaten, wie Methoden, die für die Parametrisierung adressgenaue Daten zu den Gebäudewerten verwenden. Für Analysen auf regionaler und höherer Ebene kann demnach auf die sehr aufwendige Beschaffung und Bearbeitung von adressgenauen Gebäudewerten verzichtet werden. Je kleinräumiger das Analysegebiet und je höher die Auflösung der dargestellten Resultate aber sind, desto eher drängt sich der Einbezug von gebietsspezifischen, hochaufgelösten Daten auf.

In der Ausgabe 111 (Heft 2, 2019) der Zeitschrift «Wasser, Energie, Luft (WEL)» stellt das Mobiliar Lab diese Erkenntnisse im Detail vor.

Die im vergangenen Jahr gestartete Forschungsinitiative des Mobiliar Labs läuft auf Hochtouren: Das Angebot auf den beiden Webseiten überschwemmungsgedächtnis.ch und schadenpotenzial.ch wurde ausgebaut, und die Forschungsprojekte sind auf Kurs.

Die beiden im vergangenen Jahr aufgeschalteten Webseiten verfügen neu über erweiterte Funktionen: Das Überschwemmungsgedächtnis, das derzeit bereits über 3300 Bilder zu vergangenen Hochwassern aus rund 300 Quellen aus der ganzen Schweiz enthält, verfügt nun über einen Lizenzfilter. So ist es möglich, nur nach Bildern zu suchen, die weiterverbreitet werden dürfen. Dazu muss einzig der hinterlegte Bildnachweis genannt werden. Zudem wurde auch die Bedienung verbessert.

Besitzen Sie Bilder, die im kollektiven Überschwemmungsgedächtnis noch fehlen? Mit Hilfe des Upload-Knopfs können Sie diese in wenigen Klicks auf die Webseite hochladen.

Die Webseite Schadenpotenzial Hochwasser stellt neu eine Verbindung zu Bildern aus dem Überschwemmungsgedächtnis her: Die Detailansicht zeigt eine Auswahl an Bildern aus der gewählten geografischen Einheit und deren Umgebung. Sind keine Bilder aus der gewählten Region vorhanden, werden Bilder aus der ganzen Schweiz angezeigt. Zu jedem aufgeführten Bild ist zusätzlich zu den Orts- und Datumsinformation auch der Direktlink zum Bild enthalten. Diese Webseitenverknüpfung ergänzt die Informationen zum Schadenpotenzial mit Wissen zur Vergangenheit und ermöglicht dadurch eine breitere Betrachtung der potenziellen Schäden.

Die Forschungsarbeiten sind wie geplant auf Kurs und werden weitere Grundlagen für kommende Umsetzungsprojekte liefern. Die aktuellsten und wichtigsten Resultate aus den Projekten werden in diesem Newsletter jeweils in Kurzform präsentiert.

Analysen von über 50‘000 Hagelmeldungen aus der Schweizer Bevölkerung durch das Mobiliar Lab haben ergeben, dass die Daten – nach einer adäquaten Filterung – sehr verlässlich sind. Damit steht fest, dass sie für weitere Anwendungen und wissenschaftliche Analysen nutzbar sind.

In den letzten vier Jahren haben ca. 40‘000 Nutzerinnen und Nutzer via die MeteoSchweiz-App mehr als 50‘000 Hagelmeldungen gemacht. Diese Anzahl und die räumliche Dichte der Meldungen sind weltweit einzigartig. Die wichtigsten Erkenntnisse der bisherigen Analysen dieses Datenmaterials: Die meisten Meldungen werden am späten Nachmittag gemacht, dann also, wenn es in der Schweiz am häufigsten zu Gewittern kommt (siehe Abbildung 5). Die räumliche Dichte der Hagelmeldungen widerspiegelt primär die räumliche Verteilung der Bevölkerung und weniger die realen Hagel-Hotspots Jura, Voralpen und Tessin. Aus Sicht der Risikoabschätzung ist das von Vorteil, denn dort, wo sich Menschen aufhalten und Schäden auftreten können, werden auch Meldungen verschickt. Die am häufigsten gemeldete Hagelklasse war bis jetzt die Kategorie «Kaffeebohne».

Vergleiche der Meldungen mit Medienbildern und bisherigen Messungen von Hagelsensoren weisen auf eine hohe Qualität der in der App des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz erfassten Hagelmeldungen hin – vorausgesetzt die offensichtlichen Falschmeldungen werden systematisch entfernt. Es werden also nicht nur viele Meldungen erfasst.  Wie sich gezeigt hat, sind sie für die Weiterverwendung in der Hagelforschung tatsächlich von grossem Nutzen.

Die Vergleiche mit den Hagelalgorithmen des Wetterradarnetzes deuten auf eine korrekte Identifizierung der Regionen mit grösseren bzw. kleineren Hagelkörnern hin. Viele gewitternahe Meldungen stammen allerdings von Orten, wo die Hagelalgorithmen keinen Hagel anzeigten. Diese Beobachtung lässt vermuten, dass Regionen mit einer grösseren Hagelwahrscheinlichkeit durch die Algorithmen etwas zu restriktiv festgelegt werden. Diese Hinweise werden die Forscherinnen und Forscher des Mobiliar Labs mit Hilfe der Messungen von 80 neuen Hagelsensoren überprüfen, die zurzeit installiert werden. Im Moment werden die Hagelmeldungen weiterhin dazu genutzt, die Entstehung und Entwicklung von Hagel in Gewitter besser zu verstehen.

Die wichtigsten der dank den Hagelmeldungen aus der Bevölkerung gewonnenen Erkenntnisse sowie ein Vergleich dieser Meldungen mit Radar-basierten Hagelalgorithmen wurden soeben in einem wissenschaftlichen Artikel veröffentlicht.

Am Mittwoch, 13. November 2019 findet ab 16:30 Uhr im Alpinen Museumin Bern die traditionelle Herbstveranstaltung statt. Diesjähriges Thema: aktuelle innovative Hagelinitiativen in der Schweiz. Das Programm folgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Newsletter – October 2018

Dies ist der vierte Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

Vous pouvez lire la version française de la newsletter en cliquant ici.

Am Mittwoch, 14. November 2018 findet ab 16:30 Uhr die traditionelle Herbstveranstaltung des Mobiliar Labs für Naturrisiken statt. Sie beleuchtet das Überschwemmungsgedächtnis aus verschiedenen Perspektiven und spannt den Bogen von wissenschaftlichen Aspekten, über die praktische Sichtweise innerhalb eines Kantons, bis hin zur Perspektive einer Feuerwehr.

Hier finden Sie den Flyer zur Veranstaltung.

Abb. 1: Überschwemmte Reussebene vor Altdorf, August 1987.

Mit seiner soeben gestarteten «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» will das Mobiliar Lab für Naturrisiken unter anderem bessere Entscheidungshilfen für das Hochwasserrisikomanagement schaffen.

Mit der «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko ‒ vom Verstehen zum Handeln» ergänzt das Mobiliar Lab für Naturrisiken die traditionelle Hochwasserforschung um den Schadenaspekt. Zur Lancierung des diverse Forschungsprojekte umfassenden Vorhabens hat das Mobiliar Lab einen Kurzfilm produziert.

Ziel der von 2018 – 2020 dauernden Forschungsanstrengung sind unter anderem bessere Entscheidungshilfen für das Hochwasserrisikomanagement. Die verschiedenen Tools, die sich bis zum Ende der Projektdauer weiterentwickeln und laufend ergänzt werden, sollen die Behörden in Gemeinden und Kantonen – aber auch die Bevölkerung – dabei unterstützen, Hochwasserrisiken zu erkennen. Zudem werden die Tools ermöglichen, Schutzmassnahmen nachvollziehbar und risikobasiert zu priorisieren. Und nicht zuletzt fördert die «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko» (hochwasserrisiko.ch) die allgemeine Sensibilisierung für Hochwasserrisiken.

Abb. 2: Auszug aus der Webseite hochwasserrisiko.ch. Sie bündelt die verschiedenen Webseiten der «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko».

Seit kurzem ist die neue Webseite schadenpotenzial.ch online. Sie ermöglicht es, die Werte hochwassergefährdeter Schutzgüter miteinander zu vergleichen und so zukünftige Schadenschwerpunkte ausfindig zu machen.

In der Schweiz verursachen Hochwasser regelmässig Schäden in Millionenhöhe. Bund, Kantone und Gemeinden geben jährlich Hunderte Millionen Franken aus, um Bevölkerung und Sachwerte vor Überschwemmungen zu schützen. Die Hochwassergefahrenkarten zeigen mit hoher räumlicher Auflösung, wo, wie häufig und wie intensiv Hochwasserereignisse auftreten können. Werden die Gefahrenkarten in Kombination mit sozioökonomischen Daten wie Bevölkerungszahlen oder Gebäudewerten räumlich analysiert, so lassen sich die Schadenschwerpunkte künftiger Ereignisse abschätzen. Und diese Information wiederum hilft mit, den Bedarf an Schutzmassnahmen zu eruieren und diese zu priorisieren.

Basierend auf den Gefahrenkarten können auf der Webseite «Schadenpotenzial Hochwasser» (schadenpotenzial.ch) schweizweit die potenziell von Hochwassern betroffenen Schutzgüter dargestellt werden. Und dies in verschiedenen räumlichen Einheiten (Ort / Quartier, Gemeinde und Kanton sowie für ein Hexagonraster). Folgende Schutzgüter stehen zur Auswahl:

  • Gebäude (gesamt, differenziert nach Nutzung)
  • Gebäudewerte
  • Personen (wohnhafte Personen, Arbeitsplätze)
  • Spitäler, Kulturgüter, Schulen und Hochschulen, Alters- und Pflegeheime

Mit verschiedenen Analysewerkzeugen lassen sich die absoluten und relativen Werte der hochwassergefährdeten Schutzgüter einfach miteinander vergleichen.

Das Fallbeispiel des Hagelereignisses vom 6. August 2018 im Entlebuch zeigt, was Hagelsensoren leisten können. Es belegt zudem, wie wichtig eine Kombination verschiedener Datenquellen ist, um den Hagel besser zu verstehen, Warnungen zu verbessern und Schäden zu reduzieren.

Am 6. August 2018 herrschte sonniges Hochdruckwetter mit Temperaturen bis 35 Grad. In der zweiten Tageshälfte entluden sich zuerst über den Bergen, anschliessend auch im Flachland lokal Gewitter. Eine der Gewitterzellen zog über Teile des Entlebuchs, wo erstmals Hagel von den neu installierten Hagelsensoren des Schweizer Hagelmessnetzes (vgl. Newsletter Mai 2018) registriert wurde. Was lässt sich aus den bei dieser Premiere gewonnen Daten lernen?

Die Abb. 6 stellt die Situation am 6. August im Entlebuch dar. Die farbigen Flächen zeigen die Hagelwahrscheinlichkeit (POH – Probability of Hail) auf, welche für diesen Zeitpunkt aus den Wetterradardaten berechnet wurden. Die Darstellung zeigt, dass Hagel grundsätzlich in den Regionen registriert wurde (hell- und dunkelblaue Punkte, grüne Dreiecke), in denen die Hagelwahrscheinlichkeit hoch ist. Einzelne Einschläge – wie sie z. B. in Marbach, oder in Schüpfheim (ausserhalb des gefährdeten Gebiets), gemessen wurden – müssen mit Vorsicht genossen werden. Hier kann es sich um verfrachtete Hagelkörner, grosse Regentropfen oder um ein anderes Objekt handeln, die auf den Sensor trafen.

Was ebenfalls auffällt, ist, dass bereits auf kleinem Raum (bei Marbach) sehr grosse Unterschiede registriert wurden (kein Hagel – kleiner Hagel – mittlerer Hagel). Diese Messungen stützen den Fakt, dass Hagel sehr kleinräumig auftritt und deshalb eine genaue Warnung/Prognose schwierig ist.

Eine erste solche Messung ist sehr wertvoll, sie kann bestehende Thesen stützen, aber auch neue Fragen aufwerfen. Klar wird, dass viele Messungen nötig sind, um die Daten angemessen interpretieren und Aussagen treffen zu können. Dank der Installation weiterer 55 Sensoren in den Hagelregionen der Schweiz soll dies möglich werden.

Das Beispiel zeigt weiter, dass die einzigartige Kombination aus modernen Wetterradardaten, Beobachtungen aus der Bevölkerung, Daten der Hagelsensoren (und allenfalls Schadendaten) wichtig für die Analyse von Hagelevents ist, und schliesslich dazu beitragen kann, bessere Hagel-Warnungen/Kurzfristprognosen zu erstellen und Schäden zu reduzieren.

Soeben ist die «Entscheidungshilfe Oberflächenabfluss» erschienen. Das Handbuch bietet eine Übersicht verschiedener Werkzeuge zum Thema Oberflächenabfluss, charakterisiert sie und illustriert ihre Anwendung anhand einer typischen Fragestellung.

Im vergangenen Jahr wurde am Mobiliar Lab für Naturrisiken die Publikation «Werkzeuge zum Thema Oberflächenabfluss als Naturgefahr – eine Entscheidungshilfe» erarbeitet. Ihr Hauptziel besteht darin, Fachpersonen bei der Auswahl der geeigneten Werkzeuge für die Beurteilung eines konkreten Falls zu unterstützen.

Nach der Erläuterung des aktuellen Wissensstands zur Thematik folgt im Handbuch das zentrale Entscheidungsschema (s. Abb. 5), das die acht Werkzeuge hinsichtlich Einsatzzweck, Branche und Aufwand charakterisiert. Im Anschluss daran werden die Werkzeuge mithilfe eines Faktenblatts einzeln vorgestellt. Ihre Anwendung wird schliesslich anhand einer typischen Fragestellung in einem exemplarischen, gemeinsamen Untersuchungsgebiet illustriert.

Die Autoren stellen in der Publikation jeweils Werkzeuge vor, die sie grösstenteils selbst entwickelt haben. Erarbeitet wurden die Beiträge vom Mobiliar Lab für Naturrisiken, von Agroscope, vom Büro geo7 und von der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen, VKF. Folgende Werkzeuge sind Teil des Handbuchs: Gefährdungskarte Oberflächenabfluss, Erosionsrisiko- und Gewässeranschlusskarte, punktuelle Gefahrenabklärung, Modellierung von Phosphorverlusten, feinskalige Modellierung von Oberflächenabfluss, Toolbox zur Schadendaten-Klassierung, Beobachtungsdaten von Oberflächenabfluss-Ereignissen und Gebäudeschutzmassnahmen gegen Oberflächenabfluss.

Ein zusätzliches, für eine Fachpublikation eher überraschendes Element, stellt ein Beitrag der Schweizer Künstlerin Ester Vonplon dar. Ihre Fotoserie ist in der Buchmitte als sogenanntes Insert platziert. Dieser künstlerische Beitrag soll den Leserinnen und Lesern einen Zugang zur Thematik eröffnen, der über die wissenschaftliche Auseinandersetzung hinausgeht. Er regt uns alle zum Nachdenken an, indem die Frage aufgeworfen wird, wie wir künftig mit der Natur umgehen werden.

Die Entscheidungshilfe Oberflächenabfluss liegt sowohl in Buchform als auch als PDF-Datei vor. Sie wurde in der Reihe «Hydrologie der Schweiz» publiziert. Herausgeber sind die Schweizerische Gesellschaft für Hydrologie und Limnologie (SGHL), die Schweizerische Hydrologische Kommission (CHy) der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) sowie das Mobiliar Lab für Naturrisiken. Die PDF-Datei kann hier heruntergeladen werden. Das Buch kann bei der CHy bezogen werden.

Newsletter – May 2018

Dies ist der dritte Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

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Überschwemmungsbilder können verhindern, dass Überschwemmungen und ihre Folgen vergessen gehen. Das neue «Kollektive Überschwemmungsgedächtnis» macht solche Bilder auf einer Webseite zugänglich und lädt die Bevölkerung dazu ein, selber Bilder hochzuladen.

Abb. 1: Überschwemmtes Seefeld in Sarnen im Juni 1970 (© unbekannt / aufbewahrt von: Staatsarchiv Obwalden). Abb. 2: Berner Matte im August 2005 (Mobiliar Lab für Naturrisiken / Luzius Thomi / CC BY-SA 4.0).

Jedes siebte Gebäude der Schweiz ist hochwassergefährdet, und vier von fünf Schweizer Gemeinden waren in den vergangenen 40 Jahren von Überschwemmungen betroffen. Obschon Hochwasser zum Teil grosse Schäden anrichten und den Direktbetroffenen stark zusetzen, gehen sie schnell wieder vergessen. Innerhalb weniger Jahren sind sie aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwunden.

Mit dem Mitte Mai vom Mobiliar Lab für Naturrisiken lancierten «Kollektiven Überschwemmungsgedächtnis» soll sich das ändern. Die neue, interaktive Webseite www.überschwemmungsgedächtnis.ch macht Fotos von Hochwasserereignissen aus der ganzen Schweiz öffentlich zugänglich. Einerseits stammen die Bilder aus bestehenden Bildarchiven. Andererseits soll die Bildersammlung mit Hilfe der Bevölkerung laufend weiterwachsen. Dabei werden mehrere Ziele verfolgt: Erstens sollen der Bevölkerung die Hochwasserrisiken in Erinnerung gerufen werden, zweitens dienen vergangene Überschwemmungsbilder der Forschung für die Validierung von Simulationen, und drittens stellen sie für Fachleute in der Praxis eine Hilfe bei der Gefahrenbeurteilung dar.

Alle Bilder des «Kollektiven Überschwemmungsgedächtnisses» werden auf einer Schweizer Karte geografisch verortet und enthalten weitere Informationen, wie etwa zum Urheber oder zur möglichen Weiterverwendung der Bilder. Die Angaben zu Ort und Zeitpunkt der Überschwemmung erlauben es, die Bilder entsprechend gefiltert anzuzeigen. Die hochgeladenen Bilder werden manuell am Mobiliar Lab validiert und anschliessend auf der Webseite publiziert. Stellen auch Sie der Allgemeinheit und der Forschung Ihre Überschwemmungsbilder zur Verfügung – und gewinnen Sie am ab sofort laufenden Wettbewerb eines von fünf Geschenken am Wasser!

3D-Visualisierungen können für die Kommunikation von Hochwassergefahren von grossem Wert sein. Eine Machbarkeitsstudie, in der zwei Technologien miteinander verglichen wurden, hat gezeigt, dass Visualisierungen sowohl optisch ansprechend wie praxistauglich sein können.

Für einen risikobasierten und ganzheitlichen Umgang mit Naturgefahren ist eine umfassende Information der Bevölkerung notwendig. Bis heute werden dafür zur visuellen Unterstützung hauptsächlich Karten oder Filme von Hochwassersimulationen in 2D verwendet. Karten machen die Gefahr aber nicht «erlebbar» – dies im Gegensatz zu historischen Fotos aus dem Kollektiven Überschwemmungsgedächtnis. Zudem sind Karten für viele Menschen nicht einfach lesbar. Wir gehen von der Hypothese aus, dass 3D-Simulationen oder virtuelle Realitäten die Hochwassergefahr für Nichtspezialisten besser begreifbar machen können. Diese Hilfsmittel sollen dort eingesetzt werden, wo historische Fotos als Beweis und zur Sichtbarmachung der Gefahr fehlen. Visualisierungen eignen sich aber auch, um eine Vorstellung von künftigen Ereignissen zu vermitteln.

In einer soeben abgeschlossenen Machbarkeitsstudie des Mobiliar Labs wurde die 3D-Darstellung einer Hochwassersimulation mit zwei verschiedenen Technologien umgesetzt und geprüft, ob eine Anwendung in der Praxis machbar ist. Der erste Ansatz basiert auf einem Web-Framework, das sich in jedem modernen Browser betreiben lässt, während der zweite mit einer Game-Engine erstellt wurde, für deren Nutzung die Installation eines Programms nötig ist.

Obwohl beide Technologien Vor- und Nachteile aufweisen, hat die Machbarkeitsstudie gezeigt, dass für künftige Anwendungen in 3D in den meisten Fällen das Web-Framework zu bevorzugen ist. Viele Elemente, wie etwa das digitale Höhenmodell, Orthophotos oder swissBUILDINGS3D, sind mit geringem Aufwand integrierbar. Zudem können beliebig grosse geographische Regionen dargestellt werden und die Anwendung läuft im Browser auf verschiedenen Endgeräten.

Die Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass sich 3D-Visualisierungen von Hochwasserereignissen mit überschaubarem Aufwand umsetzen lassen, sofern entsprechendes Wissen und die nötigen Grundlagen vorhanden sind. Aufgrund ihrer Annäherung an die Realität eignen sie sich zur Information und zur Sensibilisierung der Bevölkerung.

Das neue, interaktive Webtool zeigt, wie sich das Hochwasserrisiko an der Emme im Abschnitt zwischen Burgdorf und der Kantonsgrenze BE/SO in den letzten 200 Jahren verändert hat. Das Zusammenspiel aus Siedlungsentwicklung, Flussbau und Klimawandel ist dabei zentral.

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Emme aufgrund von flussbaulichen Massnahmen von einem breiten Flusslauf mit geringen Tiefen zu einem eng kanalisierten Gewässer mit stark eingetiefter Gerinnesohle. Die Fläche des Flusslaufes reduzierte sich auf weniger als die Hälfte. Nicht nur der Flusslauf selbst war grossen Veränderungen ausgesetzt, sondern auch das Umland mit dessen Siedlungsentwicklung. Der Gebäudebestand nahm von 1820 bis heute von rund 600 auf ca. 6‘500 Gebäuden zu.

Die interaktive Karte auf www.risikodynamik.ch ermöglicht eine isolierte Betrachtung der Faktoren, die das Hochwasserrisiko beeinflussen. Diese isolierte Betrachtungsweise zeigt eindrücklich die Auswirkung der verschiedenen Faktoren auf Schadenpotenzial und Hochwasserrisiko. Einerseits liess sich das Hochwasserrisiko zwischen 1820 und 2016 durch Verbauungen stark reduzieren – heute sind durch Hochwasserschutzbauten 1‘305 Gebäude geschützt. Andererseits zeigt sich, dass das Siedlungswachstum zu einer deutlichen Erhöhung des Schadenpotenzials und damit auch des Hochwasserrisikos geführt hat. Insgesamt, so zeigt eine Simulation auf der interaktiven Karte, hat sich das Hochwasserrisiko seit 1820 in etwa halbiert.

Zusätzlich lässt sich auch ein potenzieller Einfluss des Klimawandels auf das Hochwasserrisiko darstellen. Der Klimawandel wird tendenziell zu häufigeren und grösseren Hochwassern führen. In Kombination mit dem zu erwartenden Siedlungswachstum dürfte das Hochwasserrisiko in Zukunft weiter zunehmen. Eine vorausschauende Raumplanung verhindert einen starken Anstieg des Hochwasserrisikos, senken lässt es sich hingegen durch zusätzliche Schutzmassnahmen.

Hagel verursacht in der Schweiz Jahr für Jahr Millionenschäden. Dank einer weltweit einzigartigen Kombination von Radardaten, Beobachtungen aus der Bevölkerung und Daten von neuen Hagelsensoren will das Mobiliar Lab die Hagelwarnung verbessern. Und Sie können uns dabei unterstützen!

Hagel tritt kleinräumig und unberechenbar auf, ist schwer vorhersagbar und eine genaue Messung am Boden ist bis anhin praktisch unmöglich. In Gewitterwolken kann Hagel mit Hilfe von Wetterradaren aber bereits heute erkannt werden. Eine Forschungsarbeit des Mobiliar Labs für Naturrisiken und der MeteoSchweiz hat anhand von Radardaten gezeigt, dass insbesondere in der Napfregion, dem Jura und dem Südtessin die Hagelwahrscheinlichkeit hoch ist (s. Abb. 5).

Dieses Wissen reicht aber nicht aus, um präzise Hagelwarnungen und -prognosen zu erstellen. Dafür braucht es genaue Messungen am Boden, dank denen sich das Auftreten von Hagel verifizieren lässt. Anschliessend gilt es, diese Daten in einem Computermodell weiterzuverarbeiten.

Die Hagelmeldefunktion in der App der MeteoSchweiz, in der Nutzerinnen und Nutzer ihre Beobachtungen zu Hagel erfassen können, liefert der Forschung bereits seit drei Jahren wertvolle Hinweise. Über 53‘000 bisher erfasste Meldungen sind für die Verbesserung der Hagelwarnungen von grosser Bedeutung. Trotzdem können diese Angaben Messstationen nicht vollständig ersetzen – auch in Kombination mit anderen Methoden nicht.

Deshalb wird ab Frühling 2018 in den drei Hagel-Hotspots der Schweiz ein durch die Mobiliar Genossenschaft finanziertes Hagelmessnetz mit 80 vollautomatischen Sensoren installiert (s. Abb. 5). Sie messen Korngrösse, Aufprallenergie und Zeitpunkt des Hagelschlags. Die Kombination aus Radardaten, Beobachtungen aus der Bevölkerung, Hagelschäden an Fahrzeugen und Daten der Hagelsensoren stellt eine Premiere dar und ist weltweit einzigartig. Sie soll dazu beitragen, den Hagel besser zu verstehen, Warnungen und Prognosen zu verbessern und Schäden zu verringern.

Bereits jetzt existiert eine automatische Kurzfristprognose, die für gewisse Anwendungen praxistauglich ist. Doch wegen der hohen Anzahl von Fehlalarmen kann sie noch nicht verbreitet eingesetzt werden.

Sie können uns dabei unterstützen, die Hagelwarnung weiter zu verbessern! Vor allem wenn Sie selbst in einer Region mit hoher Hagelwahrscheinlichkeit wohnen oder arbeiten, eignen Sie sich ausgezeichnet als Test-User unserer Hagelwarnung. Registrieren Sie sich unter www.hagelforschung.ch mit Ihrem Wohn-/Arbeitsort und Ihrer Handynummer. Einige Minuten vor einem erwarteten Hagelschlag erhalten Sie eine Warnung per SMS. Dank Ihrem anschliessenden Feedback helfen Sie mit, die Warnung weiter zu verbessern und Schäden zu minimieren!

Newsletter – February 2018

Dies ist der zweite Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

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Welche Rolle spielt der Niederschlag für die Verursachung von Oberflächenabfluss? Ein Forschungsprojekt des Mobiliar Lab hat gezeigt, dass die meisten Schäden erst bei der Überschreitung von relativ hohen Niederschlagsschwellenwerten entstehen.

Abb. 1: Bei einem Gewitter mit heftigen Niederschlägen hat sich Oberflächenabfluss gebildet. Wie die übriggebliebenen Spuren beweisen, verliess das Wasser die Strasse und floss über die Wiese. Quelle: Daniel Bernet.

Oberflächenabfluss verursacht rund die Hälfte aller Überschwemmungsschäden. Doch unter welchen Voraussetzungen tritt er überhaupt auf? Um diese Frage beantworten zu können, hat das Mobiliar Lab in einem aktuellen Forschungsprojekt versucht, die Schäden ausschliesslich mit dem Faktor Niederschlag zu erklären. Dabei hat sich gezeigt, dass den meisten Schadenereignissen lokal tatsächlich extreme Niederschläge vorangegangen sind. Im Vorfeld hat es meistens sehr heftig und/oder sehr viel geregnet. Daraus lassen sich Niederschlagsschwellenwerte ableiten, die für die Entstehung von Schäden überschritten werden müssen. Natürlich können auch andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen – trotzdem lassen sich anhand der Niederschlagsmengen die zu erwartenden Schäden bereits erstaunlich gut voraussagen. Diese neuen Erkenntnisse helfen, künftig Schäden durch Oberflächenabfluss besser vorauszusagen und damit auch zu vermindern oder gar zu verhindern.

Konkrete Oberflächenabfluss-Ereignisse und deren Bewältigung wurden an der Herbstveranstaltung 2017 des Mobiliar Lab eindrücklich anhand von Beispielen aus den Kantonen Schaffhausen und Nidwalden illustriert. Experten aus Forschung und Praxis haben an diesem Anlass zudem erläutert, welchen Stellenwert Oberflächenabfluss schweizweit hat, wie er modelliert werden kann und wie ihn die Versicherungen berücksichtigen. Die gut besuchte Veranstaltung wurde mit einer Diskussion über den künftigen Umgang mit Oberflächenabfluss abgerundet.

Müssen Fachleute konkrete Fragestellungen im Zusammenhang mit Oberflächenabfluss beantworten – z. B. um die Gefährdung eines Wohnquartiers zu bestimmen –, stehen ihnen heute unterschiedliche Methoden und Produkte zur Verfügung. Doch es fehlt eine Übersicht dieser Angebote, und es existiert keine Entscheidungshilfe, die aufzeigt, welche Werkzeuge für welchen Zweck geeignet sind. Diese Grundlagen werden zurzeit am Mobiliar Lab zusammen mit Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen erarbeitet und im Verlauf dieses Jahr als Handbuch veröffentlicht.

Kontakt: daniel.bernet@giub.unibe.ch

Einfache Analysemethoden unterschätzen generell den Wert von hochwasserexponierten Gebäuden. Eine neue Studie zeigt, dass dies bei Nutzen-Kosten-basierten Entscheiden zum suboptimalen Einsatz von Ressourcen für Schutzmassnahmen führen kann.

In Risikoanalysen zur Abschätzung der Folgen von Naturgefahrenereignissen fliessen Gebäudewerte meist als Durchschnittswerte ein. Sehr gebräuchlich sind Einheitswerte pro Gebäude oder pro Gebäude-Kubikmeter. In Studien auf überregionaler Ebene werden die Gebäudewerte oft über einen nach Nutzung differenzierten Flächenansatz, das heisst über Durchschnittswerte pro Quadratmeter Landfläche, berücksichtigt. Am Beispiel der Hochwasserexposition in der Schweiz hat das Mobiliar Lab untersucht, wie weit die verschiedenen Methoden das Resultat beeinflussen. Basierend auf einem Datensatz von über einer halben Million Gebäudeversicherungspolicen vergleicht diese Untersuchung insgesamt fünf verschiedene Methoden zur Ermittlung der Werte potenziell von Hochwasser betroffener Gebäude.

Abb. 2: Wird das Gebäudevolumen in die Schätzung einbezogen, resultiert ein realistischer Gebäudewert. Quelle: Raoul Kern.

Während die räumliche Verteilung der exponierten Werte mit allen fünf Methoden vergleichbar ist, bestehen bei den absoluten Expositionswerten grosse, methodenbedingte Unterschiede. Über die ganze Schweiz beträgt der Wert der Gebäude in hochwassergefährdeten Gebieten je nach Methode zwischen 310 und 540 Milliarden Franken. Am grössten sind die Unterschiede in den Gebieten mit extrem hohen Expositionswerten (vgl. Abb. 3). Modelle ohne Einbezug der Gebäudevolumen unterschätzen den Wert der exponierten Gebäude, was bei Nutzen-Kosten-basierten Entscheiden zum suboptimalen Einsatz von Ressourcen für Schutzmassnahmen führen kann.

Die Studie kann eingesehen werden und es ist auch möglich, sich in den noch laufenden, offe-
nen Review-Prozess einzubringen.

Abb. 3: Modellbedingte Unterschiede in den Extremwertverteilungen: Vergleich der fünf Gebäudewertmodelle mittels empirisch-kumulativer Verteilungsfunktionen (n= 100’000). Dargestellt werden Extremwerte (oberste 2 %) hochwasserexponierter Gebäude in der Schweiz, aggregiert auf Hexagone von 10 km2.

Hausratschäden machen durchschnittlich 20-32 Prozent der Hochwasserschäden aus. Diese Erkenntnis geht aus einer Studie hervor, für die das Mobiliar Lab Gebäude- und Hausratschäden miteinander verknüpft und statistisch untersucht hat.

Wie gross, so die zentrale Fragestellung der Untersuchung, ist bei Hochwasserereignissen der Anteil der Hausratschäden am Gesamtschaden und damit die Verletzlichkeit dieses Bereichs? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, wurden konkrete Schadensfälle analysiert und so Grundlagen und Methoden erarbeitet, um Schäden am Hausrat in Risikoanalysen miteinzubeziehen. Zur Begriffsklärung: Hausrat gehört zur sogenannten Fahrhabe. Unter Verletzlichkeit oder Schadengrad wird der beschädigte Anteil am Gesamtwert des Objekts verstanden.

Obwohl der Schadengrad des Hausrats generell höher liegt als jener der Gebäude, übersteigt der Hausratschaden an einem Objekt in vielen Fällen nicht den entsprechenden Gebäudeschaden. Diese Feststellung erstaunt nicht, berücksichtigt man, dass die Versicherungssumme der Gebäude im Mittel das Sechsfache des Hausrats beträgt und somit stark beschädigter Hausrat gleich viel Schaden verursacht wie ein schwach beschädigtes Gebäude.

Abb. 4: Hochwasser verursachen neben Gebäude- auch erhebliche Hausratschäden. Letztere müssen in Risikoanalysen ebenfalls einbezogen werden. Quelle: Norbert Büchel.

Für die Kantone Obwalden, Tessin, Uri, Schwyz und Wallis wurden Schadenanteile des Hausrats von durchschnittlich 20-32 Prozent des Gesamtschadens ermittelt. Dabei hat sich gezeigt, dass Schäden am Hausrat einen relevanten Anteil an den Gesamtschäden haben. Bei Risiko- oder Kosten-Nutzen-Analysen zu Hochwasserschutzprojekten sollte deshalb als Zusatzinformation angegeben werden, ob und wie diese Schäden berücksichtigt wurden.

Für die Analyse wurden Gebäude- und Hausratschadendaten der Mobiliar Versicherung aus den erwähnten GUSTAVO-Kantonen miteinander verknüpft. Das Hauptergebnis dieses Projekts wird eine Verletzlichkeitsfunktion zur Ermittlung von Hausrat- bzw. Fahrhabeschäden bei Risikoanalysen sein. Die Methode wurde in dieser Studie veröffentlicht.

Modellsimulationen erlauben es, Hochwasserschäden abzuschätzen. Dafür muss allerdings die Qualität der Modelle sichergestellt sein, was ohne Ereignisdokumentation schwierig ist. Zur Qualitätskontrolle beitragen können Versicherungsdaten.

Für die Analyse von möglichen Schäden durch Hochwasser sind Simulationsmodelle erforderlich, die den Hochwasserablauf gut vorhersagen können. Bevor diese Modelle für eine Prognose zum Einsatz kommen, muss nach der Güte und Qualität der Modelle gefragt werden. Dabei werden meistens frühere Hochwasserereignisse nachsimuliert und die Modellergebnisse mit der Realität verglichen. Wenn keine detaillierte Ereignisdokumentation vorhanden ist, ist eine Qualitätskontrolle aber bisher nicht möglich.

Im Zeitalter von Big Data können auch Daten von Versicherungen einen wertvollen Beitrag für wissenschaftliche Fragestellungen liefern. In einer neuen Publikation hat das Mobiliar Lab einen Weg aufgezeigt, wie sich mit ortsgenauen Schadendaten die Qualität von Hochwassersimulationen beurteilen lässt. In dieser Veröffentlichung werden verschiedene Indizes zur Beschreibung der Modellgüte aufgelistet und diskutiert. Es hat sich gezeigt, dass mit dem Hochwassersimulationsmodell BASEMENT (www.basement.ethz.ch) vergangene Hochwasserereignisse auch ohne Kalibrierung sehr gut nachmodelliert werden können. Schadenberechnungen können deshalb gut darauf aufbauend konzipiert werden.

Abb. 5: Vergleich zwischen der simulierten Überschwemmungsfläche, der Ereignisdokumentation und der Versicherungsschäden. Quellen: swisstopo (BA17073), Kanton NW (Dokumentation), Nidwaldner Sachversicherung (Schäden).

Die Vorteile von Versicherungsdaten gegenüber herkömmlichen Ereignisdokumentationen bestehen darin, dass Erhebungen konsequent und relativ homogen über die Zeit gemacht werden können. Zudem können auch kleinere Ereignisse dokumentiert werden. Die grössten Herausforderungen bei der Verwendung von Versicherungsdaten ist, dass die Daten aus Datenschutzgründen nur erschwert verfügbar sind und dass sie sorgfältig aufbereitet werden müssen. So gilt es einerseits, die Gebäude etwa hinsichtlich Baujahr zu überprüfen. Andererseits sollten Schäden, die durch andere Prozesse – wie z. B. Oberflächenabfluss – entstanden sind, möglichst ausgeschlossen werden.

Die Studie ist hier einsehbar.

David Bresch, Professor für Wetter- und Klimarisiken an der ETH Zürich, hält am 13. März die «Mobiliar Lab Lecture 2018». Titel der Veranstaltung: «Transformative Resilienz als Schlüssel zur Risikobewältigung».

David Bresch prüft in seinem Vortrag die Tauglichkeit des Resilienzansatzes im Bereich der Naturgefahren und des Klimawandels. Der Begriff Resilienz beschreibt die Fähigkeit, angesichts von Veränderungen und Ungewissheiten zu überleben oder sich erfolgreich anzupassen. Deshalb stellt Resilienz ein nützliches Konzept dar, um präventive und vorausschauende Ansätze im Umgang mit Risiken zu entwickeln. Die Veranstaltungsreihe «Mobiliar Lab Lectures» bringt führende Risikoforscherinnen und Forscher nach Bern. Die Vorträge sind öffentlich und richten sich sowohl an Fachleute wie die interessierte Öffentlichkeit.

Der Vortrag von David Bresch findet am 13. März 2018 von 17:15–18:30 Uhr im Hauptgebäude der Universität Bern Hochschulstrasse 4, Kuppelraum (5. Stock) statt. Im Anschluss an den Vortrag gibt es einen Apéro.

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Newsletter – July 2017

Dies ist der erste Newsletter des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern. Er erscheint ca. zweimal pro Jahr und gibt Ihnen einen Überblick über unsere neusten praxisrelevanten Forschungsergebnisse sowie Hinweise zu Veranstaltungen des Labs. Die deutsche Version des Newsletters als PDF lesen Sie hier.

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Abb. 1: Überschreitung der Gerinnekapazität der Gürbe im August 2007. Quelle: Christoph Matti.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Mobiliar Lab für Naturrisiken befasst sich mit der Modellierung und Beschreibung extremer Hochwasser. Dämme und Schutzbauten sind für Abflüsse bestimmter Wiederkehrperioden dimensioniert. Werden die entsprechenden Schwellenwerte überschritten, kommt es zu Ausuferungen und damit zu einer markanten Änderung des Abflussverhaltens: Die Erschliessung neuer Überflutungsbereiche führt zu einer Verlangsamung des Abflusses und damit zu einer temporären Reduktion der Abflussspitze. Dieses Abflussverhalten wird in rein hydrologischen Modellierungen nicht korrekt abgebildet.

Gleichzeitig sind solche extreme Ereignisse schadenrelevant und bedürfen daher einer detaillierteren Betrachtung. Die Zuhilfenahme eines hydraulischen Modells erlaubt einerseits die Identifikation spezifischer Abfluss-Schwellenwerte, bei denen weitere Überflutungsflächen erschlossen werden. Andererseits ermöglicht sie eine prozessnahe Beschreibung der Ausuferungen und ist insbesondere für Einzugsgebiete mit starken Überschwemmungs- und Rückhalteeffekten angezeigt. Bleiben die erwähnten Schwellenwerte hingegen unerkannt, werden in Situationen extremer Hochwasser Gebiete überschwemmt, für die kein geeignetes Notfallkonzept besteht beziehungsweise für die gegebenenfalls mit verhältnismässig kleinem Aufwand eine Schutzmassnahme hätte ergriffen werden können.

Die Studie können Sie unter folgendem Link einsehen: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S002216941730272

Abb. 2: Hydraulische Modellierung der synthetischen Hochwasserganglinien zur Identifikation von Schwellenwerten, ab welchen grossräumige Ausuferungen auftreten. Diese Schwellenwerte entsprechen typischerweise dem Bemessungswert von Hochwasserschutzprojekten. Für das Beispiel der Aare bei Bern zeigt die hydraulische Modellierung (rechts) drei Stufen bei den Abflusswerten von 570, 700 und 860 m3/s. Die beiden letztgenannten Schwellenwerte treten bei Abflüssen auf, die das 300-jährliche Ereignis übersteigen, für Extremereignisse aber von entscheidender Bedeutung sind.

In Hochwassersituationen verschärft das von Fliessgewässern mitgeführte Schwemmholz regelmässig die bereits angespannte Situation: Es lagert sich an natürlichen oder künstlichen Verengungen des Gerinnes ab und führt zu Verklausungen, die durch Rückstaueffekte Überschwemmungen auslösen und hohe Schäden verursachen.

Da Vorhersagen zu lokalem Schwemmholzverhalten schwierig sind und detaillierte Beobachtungen oftmals fehlen, sind Modellierungen wichtige Hilfsmittel für die Simulation des Zusammenspiels der beteiligten Faktoren. Das in der Masterarbeit von Niccolò Galatioto entwickelte Modell „LWDsimR“ ermöglicht eine vektorbasierte und objektorientierte 2D-Simulation der Schwemmholzdynamik. Mobilisierung, Transport, Ablagerung sowie Verklausungen an Hindernissen können so für jeden einzelnen Baum zeitlich und räumlich hoch aufgelöst simuliert werden. Dies erlaubt die Ausscheidung möglicher Mobilisierungs- und Depositionsflächen, eine Identifikation kritischer Gerinneabschnitte sowie ein Tracking der Transportwege des Schwemmholzes. Zudem lassen sich die während eines bestimmten Hochwasserereignisses zu erwartenden Schwemmholzvolumen abschätzen.

Der auf der Programmiersprache R und auf dem Programm BASEMENT basierende Code des Modells ist Open Source und kann frei heruntergeladen werden. Der Link zum Download, die Bedienungsanleitung und weitere Informationen können Sie hier unter dem Tab „UP15: Modellierung der Schwemmholzdynamik in hochwasserführenden Fliessgewässern“ finden.

Abb. 1: Schematische Darstellung des Schwemmholz-Modells. Quelle: Niccolò Galatioto.

Dank den fünf Wetterradaren in der Schweiz wird Hagel in den Gewitterwolken gut erkannt und lokalisiert. Wo jedoch der Hagel den Boden schliesslich erreicht, ist schwierig festzustellen. Im Gegensatz zu Temperatur und Niederschlag fehlt ein flächendeckendes Hagelmessnetz. Ohne genaue Messungen, die anschliessend in die Wettermodelle einfliessen, ist eine Prognose schwierig. Aus diesem Grund ist die Forschung auf Meldungen aus der Bevölkerung angewiesen.

Über die Smartphone-App der MeteoSchweiz können Hagelbeobachtungen von jeder interessierten Person einfach und direkt gemeldet werden. Diese Meldungen dienen unter anderem der Verifikation und Verbesserung der Hagel-Algorithmen des Wetterradars, was letztendlich in einer besseren Prognose resultiert.

Parallel dazu arbeitet das Mobiliar Lab für Naturrisiken an kurzfristigen Hagelwarnungen. Dabei geht es insbesondere darum, herauszufinden, wie präzise die aktuellen Warnungen sind. An der Studie nehmen mehrere hundert Personen teil, die jeweils kurz vor einem erwarteten Hagelschlag an ihrem Wohnort eine Warnung per SMS erhalten. Die Testpersonen melden danach, ob es tatsächlich gehagelt hat. Dies ermöglicht den Forschenden, die Qualität der Warnungen zu verifizieren und zu verbessern. Melden Sie sich noch heute unter www.hagelforschung.ch an – die Hagelsaison hat begonnen!

Dank diesen zwei gemeinsamen Initiativen des Mobiliar Labs und von MeteoSchweiz können die Algorithmen der Wetterradare verbessert, die Warnungen präzisiert und Schäden verhindert werden. Helfen auch Sie bei der Hagelforschung mit! Mehr Informationen unter www.hagelforschung.ch und in der Smartphone-App der MeteoSchweiz.

Abb. 1: Eingegangene Hagelmeldungen via MeteoSchweiz-App am 28.05.2016
Abb. 2: Hagelwarnungen und -rückmeldungen via www.hagelforschung.ch am 17.08.2016

Zwischen dem 17. August und dem 16. September 2017 organisiert das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) in Zusammenarbeit mit der Stadt Bern eine Container-Ausstellung zur «Berner Klimaforschung». An verschiedenen Standorten in der Stadt werden Sie in diesem Zeitfenster die Ausstellung besuchen können – ausser in der Woche vom 21.-25. August: Die Container werden dann im Rahmen einer internationalen CO2-Konferenz nicht in der Stadt Bern, sondern in Interlaken zu sehen sein. Am Abend des 24. Augusts findet dort zudem die öffentliche Veranstaltung „Tatsache Klimawandel – Folgen für das Berner Oberland“ statt.

Der Klima-Container-Beitrag des Mobiliar Lab für Naturrisiken befasst sich mit den Treibern des Hochwasserrisikos: Niederschlag, Siedlungsentwicklung, Eingriffe in das Gewässersystem und Hochwasserschutzbauten sind diesbezüglich entscheidend, ändern sich aber in Raum und Zeit. Wie wichtig sind die einzelnen Faktoren für die Entwicklung des Schadenpotenzials? Wie entwickeln sich die Hochwasserrisiken und welche Rolle spielt dabei der Klimawandel?

Diese Fragen versuchte das Mobiliar Lab anhand der bisherigen räumlichen und zeitlichen Entwicklung der Emme und der Siedlungsstruktur zwischen Burgdorf und Gerlafingen zu klären. Historische Karten wie die Dufour- und Siegfriedkarten liefern Hinweise auf die frühere Ausdehnung der Ortschaften, den Gebäudebestand und die Flussverbauung. Archivierte Flussquerprofil-Vermessungen erlauben Rückschlüsse auf die einstige Gerinnegeometrie der Emme. Zusätzlich wurde analysiert, was passieren würde, sollte der Klimawandel zu einer Erhöhung des Abflusses führen.

Mit einem Simulationsmodell wurden für drei verschiedene Zustände der Emme ausgewählte Hochwasserereignisse rekonstruiert und die möglichen Schäden am Gebäudebestand berechnet. Vergleicht man beispielsweise die Situation der Emme im Jahr 1820 mit der heutigen Situation, so stellt man fest, dass sich das Schadenpotenzial wegen des Siedlungswachstums bei einem ungefähr alle 100 Jahre vorkommenden Hochwasser fast verdreifacht hat – und dies trotz der Errichtung von Schutzbauten! Welche Rolle dabei die einzelnen Treiber einnahmen und welche Schäden ein gleich wahrscheinliches Ereignis in Zukunft anrichten könnte, können Sie im Klima-Container entdecken.

Abb. 1: Vergleich eines ca. 100-jährlichen Ereignisses der Emme zu den Zeitständen 1820 (links) und 2016 (rechts). Daten: Patrick Hofer, Visualisierung: Markus Mosimann, Kartengrundlagen: swisstopo, Kanton Bern.

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